Amerika 2015: Teil 3 von 4


All Arizona Messier Marathon 2015

Es gibt in der zweiten Märzhälfte ein Zeitfenster, in dem von bestimmten Breiten aus - gute Bedingungen vorausgesetzt - alle 110 Messiers
innerhalb einer Nacht gesehen werden können. Am Standort in Arizona (33,5 ° Deklination) ist dieses Fenster gut 10 Tage lang, heuer lag
das Neumondwochenende günstig innerhalb des Zeitraums, und zwar ziemlich am Anfang. Das bedeutet, dass von den besonders kritschen
Objekten M74 am Abend etwas einfacher zu bekommen ist, dafür aber M30 am Morgen noch sehr schwierig auszumachen ist. In Südbayern
liegen wir mit 48° Deklination dafür zu nördlich, da gehen theoretisch bis maximal 109 Objekte. 2012 hatte ich auf einem Hügel am Alpenrand
einen persönlichen Messier Marathon mit dem 120 mm Refraktor gemacht, und damals 107 Messier Objekte ausmachen können.

Freitag, 20. März

Wir erreichten den Standort des Marathons am "Hovatter Airstrip" - etwa 140 km westlich von Phoenix - gegen Freitag nachmittag. Organisiert
wird die Veranstaltung vom Saguaro Astronomy Club in Phoenix, bei dem auch Tom und Jennifer Mitglieder sind. Die Wetterprognose war im
Lauf der Woche immer besser geworden, und mittlerweile waren die Aussichten für die offizielle Marathon-Nacht von Samstag auf Sonntag
schon recht gut. Die erste Nacht auf Samstag konnte bereits auch zur Übung verwendet werden.

Nach der Ankunft: Julian setzt seine Drohne ein

Unsere Nachbarn Lamar (mit 20-Zöller) und Paul

Mit Tom's 10-Zoll f/5.5 und dem Erdschatten

Erste Nacht auf Samstag: Sonnenuntergang

Zum Test spielte ich mit dem 10-Zöller die Einstiegsobjekte durch, und dann auch gleich die ganzen Winterhimmel-Messiers bis M67 und M44. Und nicht
zu vergessen schöne Südobjekte wie den dichten offenen Haufen NGC 2477. Zwischendurch schaute ich auch bei meinen Nachbarn vorbei. Lamar stellte in
seinem 20-Zöller u.a. einige Nebel ein, darunter den Rosettennebel und Thor's Helm NGC 2359, unsere "Schnecke mit Häuschen". Bei der Gelegenheit zeigte
ich ihm einen anderen Wolf-Rayet Nebel: Sharpless 308 im Großen Hund, der hier wesentlich höher steht als bei uns und mit OIII-Filter unterschiedlich helle
Teile eines großen Ringes zeigte. Bei Paul, dem Geologen mit einem 25-Zöller, wurden u.a der Medusa-Nebel Abell 21, und die Galaxien M66 und M95
gereicht - mit schönen Details bei dieser Öffnung.

Die erste Nacht wird feucht

Die Nacht wurde allerdings zunehmend feuchter, was - wie mir Einheimische versicherten - hier aber absolut selten vorkommt. Das wäre für die kommende
Marathonnacht natürlich gar nicht gut, und würde einen Erfolg ernsthaft in Frage stellen. Lamar versprach mir vorsorglich Handwärmer, die man bei Bedarf
an den Fangspiegel klemmen könnte. Bei den schlechteren Bedingungen legte ich mich erstmal schlafen, um dann morgens gegen 4:00 wieder auf den Beinen
zu sein. Der Himmel war jetzt wieder etwas besser, und ich verfolgte interessiert das weitere Geschehen am Osthimmel mit meinem 8x56-Feldstecher. Es wurde
bald klar, dass südliche Objekte wie die Kugelhaufen M69, M70, M54, M55 und M75 hier viel einfacher zu bekommen waren als bei uns; was ich bei meinem
Marathon in Geigersau (2012) nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht gesehen hatte (M55, M75) war hier aufgrund der um über 14 Grad südlicheren Deklination
recht einfach. Aufgrund des Lichtdomes von Phoenix waren nur M72 und M73, und auch M2 vergleichsweise schwieriger. M30 würde wohl genügend weit rechts
davon aufgehen; ich habe ihn aber bei diesem immer noch feuchten und aufgehellten Himmel nicht mehr abgewartet, da wäre eh nichts gegangen.


Samstag, 21. März:

Übertagen am Platz: Wir kauften Marathon T-Shirts und kamen mit einigen Teilnehmern sehr nett ins Gespräch; einige der Amerikaner sprachen auch etwas deutsch
- sei es von der Schule her, oder als Kind von zeitweilig in Deutschland stationierten Soldaten. Am frühen Nachmittag standen wir gerade in einer Gruppe mit Rick
Tejera zusammen, dem Veranstalter, als Tom und Jennifer am Platz ankamen. Sie quartierten sich gleich in unserer Ecke ein, und Tom hatte auch den 15-Zöller im
Gepäck, den er Julian für dessen Marathon versprochen hatte. Später traf ich auch den früheren langjährigen Organisator AJ Crayon. Insgesamt wurden 68 Autos
gezählt, mit dann insgesamt etwa 100 Leuten am Platz.

Tom macht den 15-Zöller startklar

v.l. Ben, Julian, Jack Jones, Tom Mozdzen, Jennifer, Tom und Ken Reeves


Julians Drohne im Einsatz:

Davon gibt es auch eine Zusammenstellung als Drohnenvideo auf YouTube

Für 17:00 bat Veranstalter Rick zum Meeting

Tombola: Jennifer, Tom und Rick, und zwei junge Preisrichter

Anfangs gabs noch ein paar Zirren im NW, ...

... die aber bald verschwanden: Oben Sirius, tief unten Canopus

Ein möglicher Pfad für den Messier Marathon

Bild mit freundlicher Genehmigung von Jim Cornmell: Jim's Cosmos

Auf geht's: Der Messier-Marathon beginnt

Und so um die Zeit des oben gezeigten Bildes mit Canopus begann für mich der Messier Marathon: Alles mit Tom's 20er Explore Scientific Okular
mit dem großen Gesichtsfeld von 100 Grad. Das ergab bei dem 10-Zoll f/5.5 Dobson eine Vergrößerung von 69x, und damit ein reales Gesichtsfeld
von deutlich über einem Grad am Himmel. Ich hatte vor, den ganzen Marathon ohne Sternkarte aus dem Gedächtnis zu machen, und das hat dann auch
geklappt; zur Sicherheit hatte ich die beiden Uranometria-Atlanten hinterlegt, gerade für den Fall, dass der Himmel schlechter werden würde, und ich die
Starhopping Pfade dann nicht mehr finden würde - im Virgohaufen sind die z.T recht subtil, und schnell mal nicht mehr so leicht zu sehen. Das war zum
Glück nicht der Fall, und das Ausmaß an Feuchte hielt sich im Gegensatz zur Vornacht in Grenzen - Okulare und Fangspiegel blieben durchgehend frei.

Als erstes kommen im Westen die Abendobjekte dran, die bald untergehen und daher zeitig eingestellt werden müssen. Auf der anderen Seite muss
aber erst gewartet werden, bis es dunkel genug ist ("schon dunkel genug, aber noch nicht zu tief unten im Horizontdunst"). Bei der flächenhellen Galaxie
M77 war das schon gegen 19:40 der Fall, und damit war sie das erste Messierobjekt der Nacht. Wenig später standen Tom und ich bei Julian am 15-Zöller
und konnten auch ihm zur M77-Sichtung gratulieren.

Die Position von M74

Quelle:Cartes du Ciel

M74 ist da schon viel schwieriger: Mittlerweile kenne ich die Position ganz genau,
und warte dann nur noch wie die Katze vor dem Mauseloch, ob die Aufhellung mit
indirektem Sehen vielleicht auftaucht. In Anderson Mesa war es am einfachsten
(besserer Himmel, vier Tage früher), am Vortag und jetzt musste ich schon bis
etwa 20:00 warten, bis sie unzweideutig auszumachen war.

Die Karte entspricht in etwa dem Eindruck im umkehrenden Newton-Fernrohr. Oben
der 3,6 mag helle Stern Eta in den Fischen, und unten das Sternpaar etwa 6. ter Größe.
Und wenn dann auf etwa 40 % dieser Strecke (von unten aus gesehen) das eingezeichnete
Sternpaar knapp 11.ter Größe sichtbar wird, kann man sich dort einrichten und auf M74
warten - mit oder ohne Erfolg. Obwohl M74 in der Summe mit 9,4 mag deutlich heller ist
als diese Sternchen, ist sie in der noch aufgehellten Dämmerung viel schwerer zu erkennen:
Mangels Kontrast als flächenhaftes Objekt, und schon in sehr niedriger Position. Und diese
große Face-On Galaxie hat zudem nur eine geringe Flächenhelligkeit, was die Sache umso
schwerer macht.

Julian versuchte sich lange an M74, konnte die Galaxie aber nicht erkennen. Ich riet ihm,
M74 aufzugeben, denn inzwischen stand auch die M31-Gruppe schon recht tief, und es
drohten gleich mehrere Messier-Objekte verloren zu gehen. Wäre sehr schade gewesen,
denn danach ging es für ihn sehr erfolgreich weiter :)

Danach ging ich die Winterobjekte - einschließlich M52 in der Cassiopeia - bis zu M67 und M44 schnell durch. Die Kombination aus Telrad,
8x50-Sucher und dem 20er Weitwinkelokular war beim Aufsuchen sehr bequem. Für Stunden war jetzt gar kein Zeitdruck mehr vorhanden,
und einige legten sich zwischendrin auch mal ein paar Stunden aufs Ohr.

Vor der Puppis-Milchstraße

Tom zu Gast an seinem Fernrohr

Julian beim Marathon

Julian Braun

Paul und Jennifer, links der 25-Zöller

Der Marathon lief entspannt weiter, den Virgohaufen hatte ich starhoppend in einem Stück mit dem 20er Okular durchlaufen, und dann
war wieder "Buffet" angesagt: Bei Lamar wurde im 20-Zöller der Abell 1367 Galaxienhaufen eingestellt, und dazu eine schöne Fischgalaxie
NGC 4631. Und bei Paul wurden die wechselwirkenden Galaxien NGC 4038/39 sowie ein sehr schöner Whirlpool M51 gereicht. Paul fand
die vielen Eigennamen amüsant, auf die er in seinem neuen Interstellarum "Deep Sky Atlas" stieß. Mit eingezeichnet ist auch die Sternfigur
"Polakis 1" in der Sternwolke M24 - ein pfeilförmiges Muster, das auf M17 zeigt.

Mittlerweile war auch Omega Centauri in seine höchste Meridianposition gekommen, und bot in Julian's Marathon 15-Zöller einen tollen
Anblick. Das wäre auch was für Julian - wann gibts mal wieder Omega Centauri zu sehen ? - aber er machte wohl gerade ein Nickerchen.
Jennifer empfahl, ihn unbedingt zu wecken, und bevor ich diesbezüglich zur Tat schreiten konnte, kam er wieder aus unserem Van hervor
und konnte das südliche Paradeobjekt bestaunen.

Jennifer war dabei, als ich auf dem Marathonpfad die sommerliche Milchstraße herunter wanderte, und M11, M26, M16, M17 und M18
einstellte. Und als dann M24 dran war, zeigte sie mir auch die genannte familieneigene Gruppe Polakis 1. Und die südlichen Objekte
wie M7, M69, M70, M54, M55 oder M75 waren hier alle wesentlich einfacher als zu Hause in Bayern.

Im Schützen bei M22 unterwegs, links der Lichtdom von Phoenix

Ben Nagorsen

Don Machholz (links) kommt zu Besuch

Auch Don Machholz war am Platz, der bekannte Entdecker von bereits 11 Kometen. Ihm war erzählt worden, dass ich die Messiers aus
dem Gedächtnis einstellte, und ich hatte gelesen, dass er das schon bei vielen Marathons auch so gemacht hatte - es war übrigens sein
insgesamt 51stes. Und so kam er mal vorbei, um den Gast aus dem fernen Europa zu sehen, und ich wurde zum "Machholz of Germany"
ernannt. Wirklich eine sehr nette Anerkennung, aber dann doch wohl a bissal viel zu viel der Ehre ;-)

So allmählich ging es jetzt in die Endphase, und die war bis auf das letzte Objekt nicht wirklich schwierig. Man konnte gemütlich warten,
bis sich erst M15, und dann auch M2, M72 und M73 aus dem Lichtdom von Phoenix herausgewühlt hatten. Und dann waren 109 Objekte
geschafft und es fehlte nur noch - M30.

Die Position von M30

Quelle: Cartes du Ciel

M30 war auch theoretisch das schwierigste Objekt des Abends. Zwar sowohl heller (7,3 mag)
als auch viel flächenheller als M74, aber noch am Anfang seiner Sichtbarkeitsphase und daher
noch sehr tief bei sich schnell aufhellendem Himmel. Die genaue Position hatte ich mir auch
eingeprägt, aber ohne hier die Erfahrung bei Marathon-Bedingungen wie bei M74 zu haben.

Zuerst hatte ich mit dem Feldstecher das Erscheinen der Sternfigur um Zeta und 36 Capricorni
abgewartet, und danach im 10-Zöller das Auftauchen zuerst des 6,4 mag Sternes, und dann von
41 Cap über den Bergen verfolgt. Damit war M30 zwar schon "da", aber noch zu tief, und ich sah
erstmal nichts. Hier läuft es umgekehrt wie bei M74 abends: Es dauert etwas, bis M30 hoch genug
steht, aber die Dämmerung darf noch nicht zu hell sein - wenn, dann geht das nur in einem kurzen
Zeitfenster. Mir fiel das 12er Nagler Okular ein - als Reserve bereitgelegt - um bei Bedarf mittels
höherer Vergrößerung noch etwas an Kontrast herausholen zu können. Nur hatte ich das Teil nie
verwendet, und nun stellte sich heraus, dass ich damit gar keinen Fokus bekam - und das war jetzt
nicht der ideale Zeitpunkt für Adapter suchen und umschrauben ;-) Also das 20er Explore Scientific
wieder reingetan, und anhand der Verbindung zwischen dem 6,4 mag Stern und 41 Cap - nach knapp
drei Viertel der Strecke etwas nach rechts - den 8,6 mag Stern identifizieren, der nahe bei M30 liegt.
Der war bei dem großen Gesichtsfeld dann bequem zusammen mit 41 Cap im Okular zu sehen.

Und nach einigen erfolglosen averted vision Versuchen tauchte dann etwas an Aufhellung an der
richtigen Stelle auf, nicht durchgängig zu halten, aber blickweise wahrzunehmen. Ich konnte diesen
Eindruck wiederholen, der war aber noch grenzwertig, und es war nicht auszuschließen, dass hier der
Wunsch der Vater der Sichtung war. Tom stand nicht weit weg, und bevor ich offiziell "110" melde,
wollte ich noch seine Bestätigung. Ich bat ihn mal reinzuschauen, ohne die Position zu spezifizieren.
Und er sah M30 sofort, und das genügte mir um zu sagen:

Ich habe alle 110 Messier Objekte geschafft !

Die Zeit der erfolgreichen Sichtungen haben wir dann auf die Minuten um etwa 5:33 geschätzt; es war ja wohl nur ein Fenster von
vielleicht fünf Minuten, wo das möglich war. Tom hatte gerade mit einem 10x30 (!) Feldstecher 109 Messier Objekte ausmachen
können, alle bis auf M30 - das ist wirklich extrem !

Und Julian hat alle "normalen" 108 Objekte geschafft, auch eine große Leistung ! Im Gegensatz zu mir musste er ja richtig arbeiten,
und sich die Position der meisten Objekte erst im Atlas heraussuchen. Er hatte sich in den letzten Tagen konzentriert vorbereitet,
auch in Bezug auf die Reihenfolge der Objekte; hier hatte er auch meine Geigersau-Liste und die aktuelle von Rick zur Hand -
letztere ist natürlich besser auf die südlichere Breite zugeschnitten, da gibt es durchaus Unterschiede hinsichtlich der besten
Reihenfolge. Insgesamt haben 12 Teilnehmer alle 110 Objekte gesehen, Rick Tejera hat Ergebnis & Infos gepostet
bzw. hier seine offizielle Tabelle:



Ich bin müde und angenehm zufrieden nach dem Marathon - das war ein tolles Erlebnis !

Abschied von Tom und Jennifer

Nach ein paar Stunden Schlaf vereinbarten wir noch ein gemeinsames Abschiedsessen im Restaurant, und fuhren dazu nach
Quartzsite noch etwas weiter im Westen. Unser Verhältnis war mittlerweile richtig herzlich geworden, und Jennifer wollte uns
gar nicht mehr so gerne gehen lassen. Ja, hallo Tom & Jennifer, nochmals vielen Dank für die schöne Zeit zusammen, und die
große Unterstützung von eurer Seite ! Und solltet ihr mal nach Bayern kommen, stehen wir bereit :)



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