Eine meist klare Nacht im Oberpfälzer Wald

Nacht von Freitag, den 21. April, auf Samstag, den 22. April 2023

In Südbayern hatten wir schon in der Neumondphase des März eine Durststrecke, was klaren Himmel betrifft,
und das setzte sich auch in den April hinein fort. Und der April ist generell eine ideale Zeit zur Beobachtung
der klassischen Frühlingsgalaxien - kurzum: Mein Entzugsgefühl wurde zunehmend stärker ;-)

Am Donnerstag den 20. war Neumond, und in den Tagen danach würde sich der Mond schnell wieder prominent
am Abendhimmel bemerkbar machen, gerade auch wegen seiner derzeit zunehmenden nördlichen Deklination.
Gab es bei uns für Freitag Abend eine Chance ? Nicht wirklich, denn es könnte zwar ein bisserl klaren Himmel
geben, ehe aber schon bald eine breite Front mit hoher Bewölkung von Westen her eintreffen würde. Nun sah
es aber so aus, dass diese Zirrenwand recht gemächlich unterwegs sein würde, und erst gegen zwei bis drei Uhr
die Ostgrenze Bayerns erreicht. Man bräuchte also nur vor ihr davonfahren, und bekommt eine echte Chance auf
eine richtige Galaxien-Spechtelnacht, bei uns vielleicht die letzte für diesen Neumond !

Um mich leichter zu dieser Unternehmung aufraffen zu können hatte ich den "Fünfling" und ein paar warme
Klamotten bereits vorab im Auto verstaut - es waren ja immerhin 220 Kilometer einfach. Schließlich hab ich
mich dafür entschieden, und so ging es direkt von der Arbeit weg in den Oberpfälzer Wald. Zuerst galt es einen
Stau am Beginn der Autobahn zu umfahren, und es brauchte über eine halbe Stunde bis ich aus der Stadt raus war.
Danach verlief alles glatt, es ging an Regensburg vorbei und ich verließ die Autobahn bei Nabburg. Über teils weite,
wenig besiedelte Hochflächen und ein paar Taleinschnitte erreichte ich das Ziel noch bei Helligkeit. Die Gegend
nahe der tschechischen Grenze ist von den Lichtverschmutzungskarten her schön dunkel, die Werte vergleichbar
mit der Rhön. Ralph und ich hatten den Platz bereits 2018 zwecks Beobachtung der Perseiden aufgetan.

19:50 MESZ: Ich kam gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang

Beim Aufbau kam ich mit zwei einheimischen Radlerinnen ins Gespräch, die im Rahmen einer Rundtour gerade den
Berg hochgefahren waren. Für den Fall dass ich morgen noch bis Mittag in der Gegend bleiben würde empfahlen sie
mir ein lokales Gasthaus. Der Zweck des Fünflings als solcher war für sie - wie für die meisten Leute - von seinem
reinen Aussehen her nicht unmittelbar ersichtlich ;-) Ich klärte alles auf, und sie wünschten mir eine klare Nacht.

In der Dämmerung habe ich noch die 39 Stunden junge Mondsichel eingestellt, sie hat bei der tiefen Position
ziemlich gewabert; Gerd hat dieses Ereignis im Astrotreff thematisiert.

Mit dem 9,5-Zoll Fünfling in der Dämmerung

v. re. unten nach links Mondsichel, Venus u. Beteigeuze (v.r.)

21:30 MESZ: Das gerade noch komplette Wintersechseck

v. re. unten nach mittig re. oben u.a. Mondsichel, Plejaden, Venus u. Mars

Zwei Abell-PN's

Bei Dunkelwerden war der Himmel nicht ganz frei, es waren hier und da ein paar Wolken unterwegs.
Der Südwesten sah aber gut aus, und so konnte ich gleich zwei Planetarische Nebel der Abell-Liste
ansteuern - beide ausgedehnt und lichtschwach, und ohne Filter überhaupt nicht zu erkennen. So war es
gut, sie noch zu probieren, ehe sie zu weit in Richtung Horizont abgesunken waren.

Einstiegspunkt hierfür wurde der mir gut vertraute, schön kompakte Sternhaufen M67; den Farbunterschied
innerhalb seiner hellsten Sterne - mehrheitlich Rote Riesen, aber auch Blue Stragglers - konnte ich deutlich
erkennen. Von hier gings - mittels Starhopping - drei Grad nach Süden zum besonders großflächigen Abell 31:
Mit OIII-Filter machte sich bei indirektem Sehen und 45-facher Vergrößerung ein diffuses bogenförmiges
Leuchten bemerkbar. Die Position seines Kollegen Abell 33 war nahe Iota im Sternbild Hydra auch schnell
gefunden, er liegt fast an dem mittleren Stern einer kleinen Dreierkette an. Wieder nur mit OIII konnte ich
hier indirekt blickweise eine zarte rundliche Aufhellung ausmachen. Das sind zwei interessante Objekte,
die im Fünfling natürlich viel subtiler rüberkamen als im 16-Zöller vor gut zehn Jahren.

Erstmal nicht durchgehend klarer Himmel

Ich denke, dass trotz generell klaren und recht dunklen Himmels auch bisserl zarte Bewölkung herumgezogen
ist, und so das eine oder andere Objekt bisweilen etwas heruntergedimmt wurde. Einmal tauchte sogar ein
größerer Wolkenbatzen auf, der große Teile des Himmels für vielleicht eine Viertelstunde bedeckt hat.
Besonders feucht erschien es mir aber nicht, die Optiken blieben durchgehend trocken.

Klassischer Frühlingshimmel: Unter Arktur, Jungfrau und Löwe

Galaxien im zentralen Löwen

Jetzt ging es zu den Galaxien M95 und M96, dieses Paar ist ein aktuelles Astrotreff-Monatsobjekt. Bei M95
konnte ich innerhalb des Nebels den markanten Balken mit dickerem Kerngebiet gut erkennen; M96 erschien
länglich mit auffälligem Kern. Gleich um die Ecke liegt die Dreiergruppe M105, NGC 3384 und NGC 3389 -
ein schöner Eindruck.

Der Dreierkette NGC 3681, NGC 3684 und NGC 3686 habe ich auch einen Besuch abgestattet, die passt im
11er Nagler Okular bei 97x gerade so in ein Gesichtsfeld - sehr nett. Und genauso dem bekannten "Triplett"
M65, M66 und NGC 3628, bei M66 konnte ich den langgestreckten südwestlichen Spiralarm aber nur mit
Mühe andeutungsweise ausmachen - den hab ich im Fünfling schon deutlicher gesehen.

Auch bei der folgenden Tour durch den Virgohaufen machten mir einige Objekte einen sehr guten, andere
aber einen etwas blasseren Eindruck: Die Verhältnisse blieben halt erstmal etwas volatil.

Galaxien im Virgohaufen

Das Sterndreieck 24, 11 und 6 Comae ist bei einigermaßen dunklem Himmel mit bloßen Augen erkennbar.
Während 24 Comae ein sehr schöner Farbkontrast-Doppelstern schon für das kleine Fernrohr ist - er hat mir
auch diesmal gut gefallen -, ist 6 Comae mein traditioneller Einstiegspunkt für den Virgo-Galaxienhaufen.

Gleich nebenan fiel mir die etwas gebogene Struktur der länglichen Galaxie M98 ins Auge. Nach einem kurzen
Abstecher zur reizvollen NGC 4216 (schöne Kantenlage) kehrte ich zu M99 zurück - den Spiralarm im Süden
konnte ich diesmal nicht eindeutig erkennen. Nun weiter in Richtung Zentrum: Die zwei hellen Riesenellipsen
M84 und M86, umrahmt von den beiden schmalen "edge-on's" NGC 4388 und NGC 4402 sowie den "Augen"
NGC 4435 und NGC 4438 - ein immer wieder genialer Anblick, der über die Markarian-Kette bis zu M88 hin
nach Osten eine gleichermaßen großartige Fortsetzung findet.
Über die gebogene Kette M91, M90 und M89 kam ich zu M58, und hab dort auch das "V" der nahegelegenen
"Siamesischen Zwillinge" NGC 4567 / NGC 4568 aufgesucht - sehr schön; über M59 und M60 ging es noch zu
dem lohnenden Paar NGC 4754 / NGC 4762, letztere eine schmale edge-on Galaxie mit auffallend verdicktem
Kernbereich.

Ausgehend von dem bekannten Doppelstern Porrima hab ich noch drei relativ helle edge-on Galaxien besucht,
die sich im Fünfling alle unterschiedlich präsentiert haben - ein interessanter Vergleich: NGC 4517 ist dabei
die schmalste von ihnen, und wird bereits als "Superthin-Galaxie" geführt - sehr lohnend; NGC 4527 und
NGC 4536 bilden ein Paar: Erstere erscheint heller und definierter, NGC 4536 dagegen insgesamt größer
mit einem ausgedehnten Halo.

1:13 MESZ: Der kippende Löwe über der Zirrenfront

Die Zirrenwand macht Pause

Etwa gegen ein Uhr fiel mir am Westhorizont ein Zirrenschirm ins Auge, der das Licht darunter liegender
Orte sehr sichtbar streute. Nun war sie also da, die Front aus hoher Bewölkung, und würde mich jetzt einholen.
Ich rechnete damit, dass der Himmel nicht mehr lange frei bleiben würde. Doch irgendwie schienen es sich
die Wolken bequem gemacht zu haben, und kamen die nächsten beiden Stunden kaum mehr vorwärts. Und der
Himmel wurde zum Zenit jetzt noch besser, richtig gut, und blieb es bis ich Schluss gemacht habe.
Ich hatte keine Einwände :)

Klassische Highlights: Rund um den Coma-Sternhaufen ...

Die letzten beiden Stunden habe ich den Sternatlas nicht mehr gebraucht und mich auf reines Genuss-Spechteln
verlegt. Sehr interessant der Kontrast der Kugelhaufen M53 und NGC 5053: Bei 97-fach erscheint M53 hell mit
vielen aufgelösten kleinen Sternen, während sein Kollege zwar fast gleich groß, aber sehr viel lichtschwächer
rüberkommt - mit nur ein paar wenigen sichtbaren Sternchen über die Oberfläche verteilt.

Die Galaxie M64 zeigte bei 97x ihr bekanntes "schwarzes Auge", noch klein aber eindeutig. Und die berühmte
"Nadel" NGC 4565 präsentierte sich gewohnt prächtig, superschmal mit gut erkennbarem Staubband; desgleichen
"Fisch" NGC 4631 (mit Knoten und Begleiter NGC 4627) und "Haken" NGC 4656/57 mit markantem Knick.

... und um den Großen Wagen

Dieses Areal stand noch sehr hoch am Himmel, und die Objekte kamen im 9,5-Zöller allesamt toll rüber:
Wunderbar das berühmte Galaxienpaar M81/M82: Bei M81 konnte ich das seitenrichtige "S" der Spiralen erahnen,
die Zigarre M82 zeigte sich toll strukturiert: Ich ging hier bis zum 4,8er Nagler hoch (225x), und da war schon was
von dem "zerfetzten" Eindruck zu erahnen, den ich von größeren Fernrohren her gut kenne.
Beim Eulennebel M97 konnte ich die beiden "Augen" sofort erkennen, und nebenan zeigte die edge-on Galaxie
M108 eine knotige Struktur. Sehr gut präsentierten sich auch zwei bekannte "face-on" Spiralen: M51 mit deutlich
erkennbarer Spirale, und M101 mit einigen helleren Knoten und der Andeutung ihrer Drehrichtung.

Und sonst ...

... habe ich ja auch noch ein paar weitere Kugelhaufen eingestellt, als da sind M3, M5, M13 und M92 - alle waren
mit dem Fünfling gut aufgelöst. Gerade M13 mit seinen "Krakenarmen" ist immer wieder eine Schau :)

Kurz nach drei Uhr habe ich dann eingepackt, obwohl der Himmel im Zenit immer noch ganz frei war. Ich brauchte
für die Rückfahrt ja noch Schlaf - auf dem Beifahrersitz -, und erfahrungsgemäß würde ich etwa mit dem Aufgang
der Sonne wieder aufwachen.

6:12 MESZ: Sonnenaufgang über dem Kamm

Ja, und so kam es. Nach gut zweieinhalb Stunden Schlaf bekam ich auch den Sonnenaufgang wieder gerade
so mit; die Feldlerchen tirilierten in der Höhe.

Trotz der netten Empfehlung für das Gasthaus bin ich bald heimgefahren, sonst wäre ich zu müde geworden.
Der wenige Schlaf langte aber um sicher nach Hause zu kommen. Ja, das waren entspannte sechs Stunden
unter viel klarem Frühlingshimmel, hat sich für mich unbedingt gelohnt :)


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