Ein Beobachtungsabend am Auerberg

Sonntag, den 1. Januar 2017


In den Tagen um Neujahr herum gab es in Südbayern einige klare, gute Nächte - sofern die Gegenden nicht von Nebel
betroffen waren. Ich hatte bereits am Donnerstag, den 29. Dezember, auf einer Anhöhe bei Andechs den Quasar CTA 102
beobachtet. Er leuchtete diesen Abend mit 11,2 mag Helligkeit, dem bisherigen Maximum des seit November andauernden
Ausbruches, und war in meinem 120mm Refraktor gut als kleines "Sternchen" erkennbar. Für zusätzliche Infos zum Thema
CTA 102 gibt es hier im Astrotreff einen ausführlichen Thread.

Das Fernrohr lag von dem Abend her noch im Auto, als ich am Nachmittag des Neujahrstages Richtung Süden fuhr. Ziel
war wieder mal der Auerberg, ein 1055 Meter hoher Hügel im Voralpenland, der bereits westlich des Lech liegt. Da wo es
auf der B2 - kurz vor Weilheim - in das Ammertal hinunter geht, hat man einen weiten Blick über das Vorland bis hin zu den
Bergen: In einigen Senken war etwas Nebel zu erkennen - ob der Auerberg nachts wohl frei bleibt ? Die Entscheidung hatte
noch bissl Zeit, und bis zur Abzweigung bei Peiting hatte ich die Überzeugung gewonnen: Sieht gut aus, auf zum Auerberg !
Der ist als auffälliger Doppelhöcker ab Hohenpeißenberg immer mal wieder von der Straße aus zu sehen. Notfalls konnte ich
ja noch immer Richtung Berge weiterfahren.

Der Doppelgipfel des Auerbergs (1055 m) über dem Haslacher See


Erdschatten am Osthorizont


Oben am Berg liegt ein Gasthaus, bei dem man gut einkehren kann. Diesmal hab ich mich aber gleich umgezogen, und bin
mit dem Fernrohr und sonstigem Gepäck über den kleinen Hügel zur doppelten Parkbank herüber gelaufen: Man hat hier auf
etwa 1000 Meter Höhe einen großartigen Aussichtsbalkon auf die Ammergauer-,Tannheimer- und Allgäuer Berge, 250 Meter
über dem Vorland im Süden. Das Wetter sah jetzt sehr gut aus, und von Nebel im Tal war keine Spur mehr zu sehen.
Spechtlerherz, was willst du mehr - perfekt !

Kirche und Gasthaus am Gipfel


Weiter Blick nach Südosten Richtung Ammergauer Alpen


Während der Dämmerung kam noch ein Paar vorbei; sie hatten auch die schöne Aussicht genossen, und bevor sie
mit dem Ziel Gasthaus aufbrachen, zeigte ich ihnen noch Mond und Venus bei 47-facher Vergrößerung. Er hatte
astronomische Vorkenntnisse, und so überließ ich ihm gerne einen Teil der "Führung". Später, als es bereits dunkel
war, hörte ich eine Gruppe junger Leute, die - mit Taschenlampen ausgerüstet - auf dem nicht weit entfernten Pfad
vorbeikamen. Sie bemerkten mich, und leuchteten in meine Richtung; sie waren aber wohl ziemlich mit ihren Dingen
beschäftigt und zogen weiter. Auch gut - wenn sie neugierig gewesen und herüber gekommen wären, hätte ich ihnen
schon ein paar Highlights gezeigt. Das mache ich ja öfters, und richtig unangenehme Begegnungen hatte ich dabei noch
kaum. Meist ganz im Gegenteil, der Blick durchs Fernrohr bei gutem Himmel bringt viele Leute richtig zum Staunen !
Diejenigen, die sich die Mühe machen, nachts so abgelegene Orte aufzusuchen, dürften ohnehin meist auf ähnlicher
Wellenlänge - Naturerlebnis - liegen. Und für richtig Betrunkene sollte dieser Pfad schon zu anspruchsvoll sein ;-)

17:37 MEZ: Mein 120mm Refraktor mit Mars, Venus, Mond u. Atair (rechts)


Und mit Dunkelwerden wurden die Erwartungen bestätigt: Der Himmel war heute wirklich gut ! Die nächsten Stunden über
war gar keine Feuchtigkeit spürbar, Fernrohr und Okulare blieben durchweg trocken; später kam manchmal etwas Wind auf.
Die Temperaturen dürften irgendwo im einstelligen Bereich unter Null gelegen haben, ich war aber mit Skihose, Daunenjacke,
dicker Mütze und Moonboots gut aufgestellt - Spechteln soll ja "ganzheitlich" Spaß machen ;-) Bei alldem ist der Himmel hier
aber nicht mit dem eines hochalpinen Platzes vergleichbar: Von den Dörfern im Süden kommt schon einiges an Licht herüber,
und auch die Kirche war lange beleuchtet - von meinem Standort aus war sie im Norden aber fast völlig abgeschottet. Das aber
nur am Rande: Die hohen Alpenpässe sind von München viel weiter weg, und haben zudem oft ein halbes Jahr Wintersperre.

Ein Ziel war, das Beobachtungsprogramm "Offene Sternhaufen im 5-Zöller" weiter zu vervollständigen - heute mit Blick auf
nördlichere Teile der winterlichen Milchstraße. Erst einmal war - wie schon mehrmals im Lauf des Dezember - CTA 102 dran:
Der Quasar hatte allerdings stark nachgelassen, und war im 5-Zöller nicht mehr einfach: Mit indirektem Sehen konnte ich ihn
bei 47x und 67x blickweise aufblitzen sehen. Ich erkannte, dass er schwächer war als ein 12,5 mag heller Vergleichsstern -
die Lichtkurve der "AAVSO" meldete etwa 12,7 mag.

Ralph hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass der schwächste ("B") der vier hellen "Trapezsterne" des Orionnebels M42
gegen 20:00 im Minimum war - als Bedeckungsveränderlicher fast ein Größenklasse schwächer als sonst. Und tatsächlich, bei
kleinerer Vergrößerung war er kaum mehr zu erkennen, sodass das Trapez auf den ersten Blick aus nur drei Sternen zu bestehen
schien. Drei Stunden später war der "Spuk" vorbei, der Stern wieder fast normal hell, und das Trapez wieder "vollständig".

Die Wintersternbilder steigen höher


18:23 MEZ - Blick nach Westen: Die Venus jagt den Mond


Beobachtung von offenen Sternhaufen im 120mm Refraktor

Die bisherige Übersicht des Beobachtungsprojekts findet sich am Ende dieser Seite . Heute bin ich noch einmal
im Perseus eingestiegen, um dann nach Südosten hin weiter Sternhaufen einzusammeln. Die Eindrücke sind nach
Sternbildern zusammengefasst:

Perseus

Rund um die auffällige Sternfigur, die aus Lambda, 48, My und b1/b2 Persei gebildet wird, liegen drei Sternhaufen,
die alle schon zumindest teilweise aufgelöst werden konnten: Sehr lohnend der recht sternreiche, 6 mag helle Haufen
NGC 1528 - am besten bei nur 29-fach, dann erscheint die Gruppe mit etlichen helleren Sternen noch schön kompakt.
Bei NGC 1545 sticht ein helleres Dreieck hervor, und bei NGC 1513 können mit indirektem Sehen feinste Sternchen
vor nebligem Hintergrund erkannt werden. Der 8 mag helle NGC 1245, schon südlich des Perseus-Hauptsterns Mirfak
gelegen, ist im Gegensatz dazu deutlich kompakter; auch hier heben sich bei 67x einige Sternchen wie Puderzucker
vor nebligem, unaufgelöstem Hintergrund ab. Weiter im Südosten liegt der "Stachelrochen-Haufen" NGC 1342,
dessen interessantes Grundmuster schon bei 29x gut zu erkennen ist - sehr nett.

Fuhrmann

Die drei bekannten Messier-Sternhaufen M38, M36 und M37 kommen erwartet toll herüber; alles herausragende,
in viele Sterne aufgelöste Objekte, ganz besonders der insgesamt 5,6 mag helle M37: Schon bei 29x enorm dicht,
sternreich und dennoch gut aufgelöst; das ist für mich zusammen mit h+Chi im Perseus der eindrucksvollste offene
Sternhaufen des Nordhimmels, schon mit 5 Zoll Öffnung - wenn man die Plejaden mal als Spezialfall beiseite lässt,
deren Eindruck ist mit bloßen Augen am ganzen Himmel absolut unerreicht. NGC 1778 und NGC 1857 sind dagegen
recht unauffällig, genauso das schwache Fleckchen "Teutsch 132". Sehr lohnend dagegen der immerhin 5,4 mag helle
NGC 2281 - schon deutlich östlich der Sternfigur des Fuhrmann gelegen - mit einem engen zentralen Sternviereck,
das an einen Diamanten erinnert.

Stier und Zwillinge

Im Stier zeigen sich die großen, jeweils rund 6 mag hellen Haufen NGC 1647 und NGC 1746 sehr aufgelockert,
auch bei nur 29x - das sind schon gute Feldstecherobjekte. Reizvoll ist auch das Haufenpaar NGC 1807 / NGC 1817 -
jeweils mit einer Kette hellerer Sterne, wobei NGC 1817 an seiner Ostseite noch ein größeres nebliges Anhängsel
zeigt - mit beginnender Auflösung in etliche schwache Sternchen. Bereits in den Zwillingen erscheint der bekannte,
sternreiche 5,3 mag helle Haufen M35 sehr einrucksvoll; der benachbarte, viel weiter entfernte Haufen NGC 2158
ist gut als unaufgelöster kleiner Nebel erkennbar. Weiter östlich sind die jeweils etwa 8 mag hellen Sternhaufen
NGC 2266 und NGC 2420 beide mit 47x und 67x schon teilweise aufgelöst, man ahnt jeweils den Sternreichtum -
NGC 2266 ist kleiner und kompakter, mit auffälliger Sternkette entlang einer Kante.

Orion

Im Norden des Orion liegen die beiden Sternhaufen NGC 2169 (6 mag) und NGC 2194 (8 mag): Ersterer besteht
aus zwei deutlich voneinander getrennten Teilen. Die bekannte "37"-Sternfigur sticht aber nicht ins Auge, sondern
muss explizit gesucht werden - weil einige daran beteiligte Sternchen nur relativ lichtschwach sind. NGC 2194
wirkt auf den ersten Eindruck hin neblig, bei genauem Hinsehen blitzen aber etliche schwache Sternchen auf. Der
südlicher gelegene Haufen NGC 2186 zeigt auch ein paar Sterne, er ist übrigens Teil des "Herschel-400 Katalogs".


Was sonst noch für Sternhaufen vor die Linse(n) kamen ...

Bei dem guten Himmel machten die großen Highlights wieder richtig Spaß: Innerhalb des Gefunkels im Doppelhaufen
h+Chi Persei waren die fünf hellsten roten Überriesen alle schon an ihrer Farbe erkennbar, und bereits bei 29x blitzten
zahlreiche feinste "Puderzucker"-Sternchen vor dem nebligen Hintergrund des extrem sternreichen Haufens NGC 7789
auf. Auch die Cassiopeia-Haufen NGC 457, M103, NGC 663, NGC 654 und M52 (deutlich westlicher) gefielen sehr gut.
Bei dieser Gelegenheit habe ich auf Rene's Nachfrage hin noch einmal in der Gegend von Epsilon Cas nachgeschaut:
Der Haufen NGC 637 fällt ins Auge, während ich bei NGC 609 mit indirektem Sehen nur ein schwaches Fleckchen
blickweise auftauchen sah - er soll rund 11 mag hell sein und entpuppt sich auf Fotos als sehr sternreich.

22:43 MEZ: Großer Hund und Orion nähern sich dem Meridian


Großer Wagen und Löwe klettern höher


Astrotreff-Objekt des Monats: Barnards Loop

Als der Orion später höher stand, war ich auch in der Gegend von M78 und dem Sternhaufen NGC 2112 unterwegs. In
diesem Bereich konnte ich Barnards Loop bei 29x (21er Ethos) schon ganz ohne Filter erkennen: Da zog ein relativ zur
Umgebung helleres Band wie ein breiter Fluß durch das große Gesichtsfeld (der Oriongürtel passt in dem Okular gerade
so herein). An der Ostseite des Bandes bei NGC 2112 hebt sich die Grenze besser ab, aber auch innen im Westen war sie
mit direktem Sehen klar auszumachen. Mit dem UHC-Filter war der Loop dann noch klarer sichtbar, vor allem in dem
Bereich, der in der südöstlichen Verlängerung des Oriongürtels liegt. Mit dem bloßen Auge und UHC- bzw. H-Beta habe
ich gestern nichts gesehen, ich habe es aber auch nicht intensiv probiert. Und im Süden war schon einiges an Licht von
den Dörfern her zu sehen, für so einen Versuch ist ein richtig dunkler Standort natürlich besser. Details zu diesem Objekt,
mit vielen schönen Zeichnungen, sind im hier im Astrotreff zu finden.

Und sonst ...

... habe ich noch ein paar Highlights eingestellt, wie etwa den Orionnebel oder den Andromedanebel - bei M31 war eine der
Staubbandkanten an der NW-Seite Richtung NGC 205 sehr gut zu sehen; desgleichen NGC 891, die in größeren Fernrohren
so eindrucksvolle "edge-on" Galaxie. Auch die kleine Galaxie NGC 404, ganz nahe an dem 2 mag-Stern Mirach dran, konnte
ich erkennen. Eine richtige Herausforderung war dagegen NGC 1275, die 11,6 mag helle Hauptgalaxie des 250 Millionen
Lichtjahre entfernten Perseus-Galaxienhaufens "Abell 426" - hier konnte ich ein kleines Fleckchen mit indirektem
Sehen blickweise ausmachen.

Da ich dieses Mal nicht übernachten, und noch fit genug für die etwas längere nächtliche Heimfahrt sein wollte, habe ich
gegen 23:30 wieder zusammengepackt. Bei einer Winternacht Anfang Januar sind das auch fast sechs Stunden Dunkelheit:
Spechteln, Stimmungsbilder machen, Pausen mit warmem Tee, einfach Himmel & Landschaft betrachten oder einem
Waldkauz zuhören - richtig schee wars :)


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