Amerika 2015: Teil 1 von 4


Vorgeschichte


Der Ausflug nach Arizona zum Messier Marathon war schon seit mehreren Jahren angedacht. Ich hatte 2009 eine astro-bezogene eMail Anfrage an
das Lowell Observatory in Flagstaff gerichtet, und war bei dieser Gelegenheit eher zufällig mit Brian Skiff in Kontakt gekommen. Er ist einer der
Autoren des "Observing Handbook and Catalogue of Deep Sky Objects", das ich schon lange habe und schätze. Brian ist professioneller Astronom
am Lowell Observatory, ist der Welt der Amateurastronomen aber eng verbunden, und bringt sehr aktiv sein enormes Wissen in die Foren ein - er
gehört gewissermaßen "beiden Welten" an. Der gelegentliche eMail-Kontakt blieb, und ich kam auch mit Tom und Jennifer Polakis in Kontakt; auch
Tom ist nicht zuletzt durch seine zahlreichen Artikel in amateurastronomischen Zeitschriften in Spechtelkreisen sehr bekannt. Im Zusammenhang mit
dem "Arizona Messier Marathon" hatten sie mich schon früher eingeladen, aber in 2015 hat alles gepasst: Der Termin des Marathon's lag diesmal sehr
günstig, und ich hatte mit Julian Braun einen weiteren Interessenten gefunden - was mir viel lieber war als ein längerer Trip ganz alleine. Julian ist
schon seit etwa zehn Jahren Kollege im Führungsteam der Volkssternwarte München.

Der Marathon lag am mittleren Wochenende unseres Ausflugs, und Tom hatte uns für die erste Woche einschließlich des Marathon's seinen 10-Zöller
zur Mitnahme angeboten - daher hatten wir den Flug so gebucht, dass wir zuerst bei ihm in Phoenix Station machen würden. Den idealen Mietwagen
haben wir erst später gefunden, den "Escape Camper Van", der auch zum Schlafen geräumig genug ist, ohne die für uns unnötigen Ausmaße eines
richtigen Wohnmobils zu haben. Nur gab es die nächste Niederlassung der Verleihfirma erst in Las Vegas, und eine Umbuchung des Fluges wäre
ziemlich teuer gekommen. Daher entschlossen wir uns, gleich noch einen weiteren Flug von Phoenix nach Las Vegas anzuhängen, nachdem wir
auf dem Flug aus München schon in Houston umgestiegen waren. Nur um am Freitag mit dem Auto die 400 Kilometer dann gleich wieder zu
Tom und Jennifer nach Phoenix zurückfahren. Mei, ging auch ...
Und los geht's:


Phoenix - Las Vegas - Phoenix


Wir waren "mit der Sonne" nach Westen geflogen, fast alles bei Tageslicht, und kamen am frühen Abend in Phoenix an; das war - acht Stunden
auseinander - nach Mitternacht Münchner Zeit. Tom und Jennifer erwarteten uns, und sie nahmen uns unser schweres Gepäck ab; so konnten
wir nur mit unserem Handgepäck nach Las Vegas weiterfliegen. Wir verpassten übrigens den ersten Flug, und nahmen einen anderen ein paar
Stunden später - willkommen im Jetlag ;-)

Landung in Phoenix

Las Vegas


In Las Vegas schliefen wir in einer "Travellodge", neben den beiden Übernachtungen bei Tom & Jennifer bzw. Brian war das die einzige Nacht,
die wir nicht im Van geschlafen haben. Am Freitag vormittag holten wir unseren "Escape Camper Van" ab, kauften ein, und verließen Las Vegas,
ohne eine einzige Spielhalle von innen gesehen zu haben - eiserne Enthaltsamkeit oder halt einfach nur nerdy ;-). Und so langsam wie vielfach
gesagt kommt man auf den amerikanischen Straßen und Highways gar nicht voran, in der Regel lag das vorgegebene Tempolimit bei 65 oder
75 Meilen - das sind 105 bzw. 121 Stundenkilometer. Und da auch dort Limits gerne etwas überschritten werden, lief der Verkehrsfluss dann
eher so mit 110 bzw. 125 Kilometern - alles ziemlich entspannt und stressfrei.

On the road to Phoenix !

Joshua Trees an der Straße


Bei Tom und Jennifer

Am späten Freitagnachmittag kamen wir in Tempe an, einem Vorort von Phoenix. Nach unserem kurzen Treffen am Vorabend trafen wir Tom und Jennifer
erneut, und jetzt verbrachten wir die Nacht bei ihnen. Sie haben uns sehr freundlich aufgenommen, und in jeder Hinsicht gut versorgt - kulinarisch, astronomisch
und auch mit wertvollen Hinweisen was Fragen in Zusammenhang mit anderen Reisezielen betraf, etwa Grand Canyon und Monument Valley. Sie haben zwei
Katzen und zwei Hunde, und einer der beiden großen Hunde schien mich besonders zu mögen; ich konnte ihm nur zu seinem tollen Zuhause gratulieren. Und
am nächsten Vormittag fuhren wir noch zusammen einkaufen und luden Tom's 10-Zöller für die erste Woche mit ein. Und dann der vorläufige Abschied,
aber nur für eine Woche bis zum Marathon. An dieser Stelle nochmals vielen Dank für all eure Unterstützung !

Jennifer und Tom mit ihrem 10-Zoll Dobson

Von links Jennifer, Tom, Ben und Julian



Ein Besuch auf dem Mars Hill

Samstag, 14. März: Ich hatte mit Brian Skiff telefoniert, und er erwartete uns für den Abend am Lowell Observatory in Flagstaff. Es dämmerte schon,
als wir auf dem "Mars Hill" ankamen, und Brian nahm uns in sein Büro mit. Er ließ uns an seiner Leidenschaft für seinen Beruf teilhaben, und zeigte
uns einige der laufenden Projekte. Julian - der ja promovierter Physiker ist - fühlte sich gleich zu Hause: "Das ist ein echter Astronom !" Nach einem
gemeinsamen Abendessen in einem Lokal in Flagstaff lud uns Brian dann noch zu einem nächtlichen Kurztrip zur Lowell Observatory "Dark Sky Site"
ein, Anderson Mesa. Nur mal kurz zum Schauen, denn es hatte viele Zirren, und wir spürten noch deutlich den Jetlag. Die folgenden zwei Nächte, bei
guten Wetteraussichten, wollten wir dort dann aber richtig spechteln.

Auf dem Weg nach Flagstaff

Anderson Mesa: Brian, Ben und Julian

Nach der Rückkehr bot uns Brain einen Raum zum Schlafen an, allerdings gab es nur eine Matratze, und so meinte Julian, dass er im Van bleibt.
Dabei passierte ein Malheur - Julian: " Als ich kurz ausgetreten bin, fiel die Tür ins Schloß; der Schlüssel war im Auto.Erst kürzlich hatte ich in der
Fernsehserie 'Better Call Saul' gesehen, wie Mike Ehrmantraut ein Auto mit Hilfe einer Schnur öffnete. Mir stand ein dünner Draht aus Brian Skiffs
Werkzeugkiste zur Verfügung. Unter Abwandlung des in der Serie benutzten Tricks und zwei Stunden Fummelei, bis es endlich klappte, konnte ich
dann durchgefroren im Pyjama um 1:30 nachts endlich ins Bett."

Brians Domizil auf dem Mars Hill

Lowell Observatory aus der Luft (Bild: Julian)



Eine Führung durch die Anderson Mesa Station

Die Anderson Mesa dark sky site ist die Außenstation des Lowell Observatory, etwa 15 Kilometer außerhalb von Flagstaff in den Bergen.
Brian gab uns am Sonntag vormittag eine Führung durch das Gelände mit einigen größeren Fernrohren. Julian war besonders beeindruckt
von der alterwürdigen Bauart des 72-Zoll Fernrohrs. Auf dieser englischsprachigen Wikipedia-Seite gibt es Details zu den Fernrohren.

Das 72-Zoll Perkins Teleskop von 1931

Auf dem Weg zum John Hall Teleskop


Auf dem Catwalk, Brian und Ben

Der "John Hall" 42-Zöller mit Julian und Brian


Abschied von Brian

Brian, an dieser Stelle nochmals vielen Dank für die sehr nette Einladung und die sehr unterhaltsamen
und unbekümmerten Stunden, die wir zusammen verbracht haben ! Und solltest Du mal nach Bayern
kommen stehen wir bereit :)

Julian Braun Ben Nagorsen



Zwei Supernächte auf Anderson Mesa (2163 m)

Brian kehrte zur Arbeit nach Flagstaff zurück, und wir blieben die folgenden beiden Nächte hier oben zum Spechteln. Der Standort liegt
auf einer nördlichen Breite von etwa 35°, das entspricht in Europa Kreta oder einem guten Grad südlich von Gibraltar. Das Gebiet mit
den ausgedehnten Kiefernwäldern ist "National Forest", und somit darf man hier überall campieren und übernachten. Im Folgenden
zwei Bilder von Julian's Drohne, die über unserem Standort an der letzten Kurve vor der Einfahrt zu den Kuppeln gemacht wurden:

Mit dem vulkanischen Gebirge der San Francisco Peaks (3850 m)

Rechts die Kuppel des 31-Zoll Übungsteleskops für Studenten


Erste Nacht

Die erste Nacht von Sonntag auf Montag hatte in den ersten Abendstunden noch etwas Restbewölkung, die sich aber allmählich auflöste, und genauso
fielen auch die Aufhellungen von Flagstaff her im Lauf der Nacht immer weniger auf. Julian und ich übten schon für den kommenden Messier Marathon,
gerade die kritischen Eingangsobjekte M77 und vor allem M74 - und der war hier für mich noch recht einfach zu erkennen. Später durchlief Julian dann
den ganzen Virgohaufen, und ich schaute mir nochmal schwierigere Pfade wie den zu M14 oder M107 an. Und zwischendrin bekamen wir Zufallsbesuch
von zwei jungen Leuten: Eva und Casey, denen wir etliche Highlights servierten; sie hatte einen mit dem Lowell Observatory verbundenen astronomischen
Background.

Noch einige Wolken am Abend

Nächtlicher Besuch: v.l Casey, Eva und Julian


Der Himmel wurde immer besser. Gegen 1:00 habe ich die visuelle Grenzgröße auf etwa 7,3 mag geschätzt, anhand von Vergleichssternen im
Bootes und den Jagdhunden - nur den anvisierten mag 7,4-Stern konnte ich mit averted vision dann nicht mehr ausmachen. Gegen Morgen hin
hin dürften die Bedingungen dann nochmals etwas besser gewesen sein ; das war nun ein auch für hochalpine Verhältnisse ganz ausgezeichneter
Himmel - Haley würde sagen: Giganacht - und zudem ganz trocken und mit gutem Seeing. Die Kombination aus sehr guter Himmelsqualität,
den zwei 100 Grad Gesichtsfeld Okularen und vielleicht auch Tom's sehr gutem 10-Zoll Spiegel führten dazu, dass ich reihenweise "best ever"
Sichtungen mit einem 10-Zöller hatte: M42, M51, M64, M81/M82, M106, NGC 4449 oder NGC 4565 waren für diese Öffnung alle umwerfend;
sie erinnerten mich eher an Eindrücke wie ich sie von einem 13-Zöller (bei guten Bedingungen) von zu Hause her kenne. Gut auch die OIII-affinen
Wolf Rayet Nebel NGC 2359 und Sharpless 308.

Und nicht zu vergessen südliche Highlights wie M104, M83 oder NGC 5253, die hier natürlich viel höher stehen als bei uns. Desgleichen tolle
Milchstraßenobjekte wie die hellen Gasnebel M8, M20 oder M17, oder auch Dunkelnebel wie B72 (Snake Nebula) mit B68 oder das bekannte
Paar B86 / Sternhaufen NGC 6520. Oder noch südlichere Prachtobjekte wie der reiche offenen Haufen NGC 2477 (etwas M37-artig), der sehr
helle Haufen NGC 6231 oder die "Packman-Galaxie" NGC 5128 (Centaurus A). Nur Omega Centauri wusste in einem Loch nahe des Horizonts
noch nicht richtig zu überzeugen - dieser größte aller Kugelhaufen war dann am Hovatter Airfield (Standort Messier Marathon) in Tom's
15-Zöller noch spürbar besser.

Wir waren nicht die einzigen Beobachter hier oben. Man hörte öfter eine Bewegung der Kuppel des nahen 31-Zoll Fernrohres, des "National
Undergraduate Research Observatory" (NURO), das zu Übungszwecken von Studenten verwendet wird.

Julian an Tom's 10-Zöller

Ein Superhimmel am Morgen

Julian Braun


Ein nächtlicher Schatten

Mondaufgang

Ben Nagorsen


Sonnenaufgang

Übertagen am Platz

Montag, 16. März: Den Tag verbrachten wir wenig aktiv meist in unmittelbarer Nähe des Autos, der Rest des Jetlags und die vorangegangene Spechtelnacht
hatten potentielle Wanderambitionen auf ein Minimum reduziert ;-). Im Van war ein Kocher integriert, plus Kühlbox, und wir hatten alles nötige an Essen und
Trinken dabei - so konnte man hier oben bequem übertagen. Mittags gegen 12:00 Ortszeit richtete ich mal einen telefonischen Gruß an unsere Kollegen vom
VSW-Montagsteam, wo ich Gabi an die Strippe bekam - was daheim gerade kurz nach Führungsbeginn (20:00) bedeutete.


Zweite Nacht

Nach einem meist wolkenlosen Tag begann die zweite Nacht mit einem gleißenden Zodiakallicht, begünstigt durch eine Kombination aus
der vergleichsweise südlichen Deklination, einem Superhimmel und der Zeit um den Frühlingsbeginn, wo die Ekliptik besonders steil steht.
Julian übte wieder für den Messier-Marathon, was sich wohl bezahlt gemacht hat - aber hier kein Spoiler Alert, alles im Marathonbericht ;-)
Zwischendrin kam auch mal eine Gruppe junger Leute mit ihrem Auto vorbei, die gerade eine Woche frei hatten ("Spring Break"), und das
auch entsprechend mit Alkohol gefeiert hatten. Nachdem wir ihnen erklärt hatten, was wir hier oben so Seltsames trieben war alles ganz
easy, und sie wollten dann auch mal durchs Fernrohr schauen. Danach ein entspanntes Farewell, und wir waren wieder unter uns.
So etwa ab Mitternacht zogen allerdings immer mehr Wolken auf, sodass wir nicht die ganze Nacht durch beobachtet haben.

Ein gleißendes Zodiakallicht am zweiten Abend

Großer Wagen und Coma-Sternhaufen


Eine helle Wintermilchstraße

Julian übt für den Messier Marathon



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