Ein klarer Abend im Ammergebirge

Samstag, den 3. Februar 2024

Gegen Samstagmittag tendierten die Wetterberichte dazu, dass es in der kommenden Nacht in den Bayerischen Alpen
klar werden würde - zumindest für ein paar Stunden, und vor allem in den westlichen Bereichen: So hab ich mich mal
wieder für einen Beobachtungstrip ins Ammergebirge entschieden.

Ich fuhr schon bei Helligkeit hin, im Auto mit dabei mein 9,5-Zoll Dobson-Fernrohr. Die ganze Garmischer Autobahn
entlang zeigte sich am Himmel -auch über den Alpen- noch einiges an hoher Bewölkung; die Berge darunter kamen
allerdings schön klar und transparent rüber. Das hatte sich auch am Zielort noch nicht geändert, immer noch viele
Wolken. Ich zog mir dennoch gleich die Winterklamotten an und brachte das Fernrohr schonmal ins Kiesbett.

Der 9,5-Zoll "Fünfling" wartet auf die Nacht

Ja, und die Wetterberichte hatten nicht zuviel versprochen ! Während der Dämmerung taten sich in der Wolkendecke
zunehmend Lücken auf, die Zirren machten sich rar, und mit Einbruch der vollen Dunkelheit sah der Himmel bereits
wieder vielversprechend aus ! Der Jupiter mit seinen vier Monden waberte im Fernrohr noch ein wenig.

Der Orion nahe am Meridian


Dreimal Monatsthema im Astrotreff

Mit dem Fünfling mal wieder in die Berge ausgeführt wollte ich die Gelegenheit nutzen, nach zwei schon bisserl
älteren Astrotreff-Monatsthema Objekten zu schauen. Der Kopf des Walfisches würde im Westen schon bald hinter
dem Bergrücken verschwinden, und so hab ich als Erstes die Gegend um M77 / NGC 1055 besucht, hier das Thema
im Astrotreff. Das Seeing ließ allerdings noch zu wünschen übrig, schon bei 155x bekam ich nur ein recht unscharfes
Bild im Okular. Beide Galaxien als solche waren natürlich zu erkennen, aber ohne Chance nach Details wie etwa
Ansätze von Spiralarmen (bei M77) oder die Andeutung eines Staubbandes durch eine "abgeschnittene " Kante
(NGC 1055) Ausschau zu halten.

Für die schmale edge-on Galaxie NGC 973 des zweiten Monatsthemas konnte ich mir wegen ihrer viel nördlicheren
Position deutlich mehr Zeit lassen. Beim ersten Besuch bekam ich nämlich selbst im 11er Nagler (97x) keinen richtig
scharfen Eindruck, indirekt blitzte an der richtigen Stelle wohl mal etwas diffus Längliches auf. Als ich später bei einem
anderen Objekt unterwegs war fiel mir auf, dass die Luft ruhiger geworden war - also zurück zu NGC 973: Jetzt tauchte
die Galaxie indirekt eindeutig als feine Nadel auf, und ich konnte auch ihren Nachbarn IC 1805 als kleines Fleckchen
ausmachen - sehr schön.

Weiter im Westen habe ich auch die klassische Galaxie M33 mitgenommen, nur noch halbhoch stehend war sie für mich
mit bloßen Augen allerdings auch indirekt schon schwierig und nahe am Limit. Bei 97-fach zeigte sie im Fünfling aber
ein schönes spiegelverkehrtes "S" und die Andeutung einiger Knoten.

Li. unten Collinder 21, oben NGC 684 und re. NGC 672 & IC 1727

(Aufnahme von Wikisky)

Und weiter nach Süden, über Alpha im Dreieck hinaus, besuchte ich den "Putter-Cluster" Collinder 21, ein nettes
Sternmuster mit hellerem und schwächerem Bogen, nebst Farbunterschieden und integriertem Doppelstern. Das soll
aber kein physischer Sternhaufen sein, sondern nur eine zufällige Anordnung ganz unterschiedlich weit entfernter
Sterne. Die Galaxie NGC 672 fiel mir gleich als längliches Leuchten ins Auge, während sich ihr Nachbar IC 1727
nur blickweise indirekt zeigte. Auch die benachbarten Galaxien NGC 670 und NGC 684 blitzen beide mit indirektem
Sehen auf.

Reflexionsnebel im Gürtel des Orion

Ein drittes Monatsthema ist im Astrotreff gerade aktuell, drei relativ schwache Reflexionsnebel im Gürtel des Orion.
Ich habe die Gegend zweimal angesteuert, und beim ersten Mal konnte ich bei keinem der Nebel etwas Definitives
erkennen. Beim zweiten Mal waren die Bedingungen sehr gut, und ein knackscharfes Bild bei 97-fach: Jetzt erschien
IC 423 indirekt als sehr feines, subtiles Leuchten innerhalb des umgebenden Sternrechteckes - wie auf den Aufnahmen
länglich und recht groß und gegen die Seiten des Rechteckes gekippt: Eindeutig, wäre aber schon bei etwas schlechteren
Bedingungen wohl nicht mehr drin gewesen. Jetzt blitzten auch die beide Puderzucker-Sternchen innerhalb von IC 424
indirekt auf, einen Nebel konnte ich hier aber nicht ausmachen. Bei IC 426 nahm ich eine größere diffuse Aufhellung
wahr, und ich meine etwas deutlicher entlang der Kante Richtung NO in Verlängerung des Sternpaares - das alles aber
auch sehr subtil. Das Highlight war für mich hier die schief im Rechteck hängende, geisterhafte Erdnuss IC 423.

Ein Vorteil bei 97-fach war auch, dass ich beide Gürtelsterne draußen hatte. Mit dem 24er Panoptik (45x) passten beide
so gerade zusammen in Blickfeld, und so hat da zumindest einer der beiden immer mit reingeleuchtet.

Unterwegs am Winterhimmel

Die Sterne des Wintersechsecks nahe des Meridians:

Ein schönes Drumherum ...

Der klare Gebirgshimmel war auch einfach nur schön zum Anschauen und zum Genießen :) Von der Temperatur her dürfte
es nicht unter null Grad gegangen sein, ich war von den Spechtelklamotten her gut ausgerüstet, es passte in der Hinsicht
alles, sehr angenehm; nur die Moonboots zeigten deutliche Auflösungserscheinungen, sicher noch verstärkt durch den
Gang über das raue Schotterbett des Grieses. So hab ich auf größere Spaziergänge vor Ort verzichtet, ich wollte ja noch
mit benutzbarem Schuhwerk zum Auto zurückkommen ;-)

Schon gegen sieben Uhr erklang wiederholt das "Huhu" des Waldkauzes, aus unterschiedlichen Richtungen, es waren also
mindestens zwei; das wiederholte sich später noch gelegentlich. Und im nahen Wald knackte es ab und an im Unterholz,
ich nehme an es waren Tiere ;-) Mehrmals konnte ich ein Bellen hören, ich schätze von Rehen.

Der Doppelstern in M35 (Pfeil), re. NGC 2158

Rund um den "Weihnachtsbaum" NGC 2264

(Aufnahmen von Wikisky)

Den klassischen Haufen M35 konnte ich problemlos mit bloßen Augen ausmachen, bei 45-fach machte er einen schön
kompakten Eindruck - großartig. Und aus der Fülle der meist weißblau erscheinenden Sterne fiel der Doppelstern STT134
wegen der Farben sofort auf: Gelborange zu weißblau, der Farbkontrast erinnert an den bekannten Albireo, nur erscheinen
die Komponenten von STT134 im Vergleich um gut vier Größenklassen schwächer. Und nebenan präsentierte sich der rund
fünfmal weiter entfernt liegende Haufen NGC 2158 wieder als famoser kleiner Klumpen feinster Puderzucker-Sternchen.

Der Haufen NGC 2264 zeigte seine unverkennbare "Weihnachtsbaum"-Struktur, mit gut erkennbarem Nebel im Norden.
Den hellen Reflexionsnebel NGC 2261 - "Hubble's variabler Nebel" - stelle ich immer gerne ein, sehr lohnend; bei 97-fach
erinnerte er mich wieder an einen Wimpel oder auch einen kleinen Kometen. Der entfernte Haufen Trümpler 5 erschien als
Aufhellung, die kleinen Nebel NGC 2247, NGC 2245 und IC 446 waren gut sichtbar.

Mit und ohne OIII-Filter

Für den Rosettennebel schraubte ich den OIII-Filter an, und der brachte den Nebelkranz rund um den hellen Sternhaufen
NGC 2244 sehr eindrucksvoll zur Geltung, mit unterschiedlich hellen Bereichen und so einigem an Struktur. Der Filter blieb
dran für einen Schwenk nach Osten zum schönen Hufeisen des "Medusanebel" Abell 21 - ohne Filter geht hier gar nichts -,
und dann noch weiter in den Fuhrmann: Das Nebelduo IC 405 / IC 410 kam mit OIII recht deutlich rüber, mit eingebettetem
Sternhaufen bei Letzterem.

Jetzt kam der Filter runter, und es ging über die Sternfigur der "Grinsekatze" zu den bekannten Fuhrmannhaufen: Erst M38
mit einem schön aufgelösten Nachbarn NGC 1907, dann unter Mitnahme des kleinen Nebels NGC 1931 rüber zur "Gabel"
M36 und schließlich zum Prachtstück M37; dieser dichtgepackte Konus voller Sterne wurde mir auch beim x-ten Mal nicht
langweilig, ich fand ihn auch diesmal - bei 45x im Kontrast zur Umgebung - wieder umwerfend gut.

Nordblick: Polregion mit Kassiopeia, Polarstern und Großem Wagen

Und sonst ...

... natürlich auch wieder der Orionnebel M42, an dem ich mich gleichermaßen noch nie sattsehen konnte seit ich ihn Mitte der
80er Jahre zum ersten Mal in meinem damals ganz neuen 10-Zöller beobachtet habe. Ich konnte ein bisserl Farbunterschiede
ausmachen, zum dominanten metallisch-türkis kam in den Schwingen auch ein Hauch rostrot dazu - wunderbar.

Dann noch weitere Reflexionsnebel: Ein Schwenk über die helle Nebelgruppe um M78 -wie immer sehr lohnend-, und ein
Besuch beim kleinen NGC 1788 fünf Grad oberhalb von Rigel; dazu den unverwechselbaren "37"-Haufen NGC 2169 sowie
den dichten Puderzuckersterne-Nachbar NGC 2194 nebenan. Zum Abschluss stellte ich "meine" Galaxie NGC 2683 ein,
die flächenhelle schmale Spindel am Südrand des Luchses, Vorbotin der Frühlingsgalaxien.

Ich wollte heute nicht zu lange machen und packte gegen elf Uhr zusammen, nach über vier Stunden schöner Spechtelzeit
bei schon bald richtig gutem Himmel. Die Scheiben am Auto waren klar geblieben, es bedurfte diesmal keines Kratzens.
Ich hatte noch ein halben Liter warmen Tee und etwas Proviant, und nach der Stärkung fuhr ich über das nächtliche
Graswangtal -fast ohne Verkehr- zurück zur Autobahn und nach Hause - schee wars : )


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