Eine tolle Nacht bei Geitau

Nacht Freitag/Samstag, den 13. auf 14. Oktober 2023

Es stand wieder eine klare Neumondnacht an, von den Prognosen her recht trocken und nochmal ziemlich mild;
auch in den bayerischen Bergen sollte es nachts kaum unter zehn Grad gehen, bevor danach ein Wetterwechsel für
deutlich kühlere Temperaturen sorgen sollte. Das sprach für mich wieder für einen Ausflug mit der Bahn, es war
ja nicht zu erwarten dass es mir in den acht Stunden bis zum ersten Zug zu kalt werden oder die Optiken schon
bald beschlagen würden - und auch die Zukunft des Deutschlandtickets war ja nicht gesichert: Also den Rucksack
mit dem 99mm Spektiv geschultert, und wieder den Platz bei Geitau anvisiert. Der hatte mir schon das letzte
Mal gut getaugt, und ist halt in weniger als einer halben Stunde Gehzeit erreichbar.

Es war es längst dunkel, als ich gegen 20:20 den Bahnhof verließ. Anfangs vom hellen Zug her stark geblendet
stellte sich die Adaption nach und nach ein, und an der Wanderbank war klar: Das wird wieder ein guter Himmel !

Milchstraße mit Sommerdreieck im Westen


Drei Doppelsterne

Im Grenzgebiet der Sternbilder Füllen (Equuleus) und Wassermann (Aqurius) stehen ein paar Doppelsterne, die
gerade Thema im Astrotreff sind - beginnend mit diesem Beitrag. Sie wurden mein erstes Ziel, da die Gegend den
Meridian bereits überschritten hatte und sich wieder im Absteigen befand. Und bei der ohnehin recht südlichen
Position würde sie schon bald hinter dem Bergmassiv des Miesing verschwinden. Hier eine Übersicht:

Objekt Helligkeiten Abstand Eindrücke aus dieser Nacht
(1) Epsilon Equ (Struve 2737) 5,4 + 7,1 mag 10,5" Spektr. im Bereich F; Kontrast für mich "weniger gelblich" zu "mehr gelblich"
(2) Struve 2735 6,5 + 7,5 mag 2,0" ca. 1° WNW von (1) schon im Delphin; bei 110x Trennung einfacher als bei (3)
(3) 12 Aqr (Struve 2745) 5,8 + 7,5 mag 2,44" Spektr. G4,A3; - Trennung bei 110x schon schwierig, Begleiter "klebt" südlich an; Farbkontrast erahnbar

Mich hatte auch der Vergleich von (2) und (3) in Bezug auf die Schwierigkeiten der Trennung interessiert:
Enger zusammen + weniger Helligkeitsdifferenz <-> Weiter auseinander + größere Helligkeitsdifferenz
Bei diesen Werten war (2) schon spürbar einfacher. Den theoretisch deutlichen Farbkontrast von (3)
konnte ich erahnen, ich war aber auf die Trennung an sich fokussiert - die war nicht einfach.

23:18 MESZ: Das 4-Zoll Spektiv vor dem Wassermann

Ich bleib erst noch im Wassermann ...

Vom Doppelstern 12 Aqr ging ich fünfeinhalb Grad direkt nach Süden zum "Saturnnebel" NGC 7009. Dieser 8 mag
Planetarische Nebel NGC 7009 ist sehr klein und flächenhell, und kam für mich etwas länglich rüber, in der Farbe
spürbar ins grünlich-türkise gehend. Gleich um die Ecke nach SW steht die Sternfigur M73 - den konnte ich in seine
vier Sterne im Bereich von 10,3 bis knapp 11,8 mag Helligkeit trennen - und der Kugelhaufen M72, im Spektiv
ein kleines Fleckchen. Diese beiden Messierobjekte weckten alte Erinnerungen an spannende und intensive Minuten
am Ende eines Messier-Marathons 2012 in Geigersau mit dem 120mm Refraktor:

"... und bei sich nunmehr rapide aufhellendem Osthimmel schaffte ich noch M73, und wahrscheinlich auch noch M72
ganz in der Nähe: In der richtigen Gegend war mit indirektem Sehen noch ein Fleckchen auszumachen, ich habe es
aber nicht mehr genau nachgeprüft - mir fehlten ja noch zwei Objekte. Der Blick zum Osthimmel zeigte jetzt aber:
Für eine weitere 'Starhopping'-Suche in einem anderen Areal war keine Zeit mehr, bei der hellen Dämmerung hätte
ich M75 und M55 gar nicht mehr gefunden."

Und schließlich ging es noch zum relativ großen, 6,4 mag hellen Kugelhaufen M2. Hier konnte ich im Außenbereich
mit indirektem Sehen eine Wolke an allerfeinsten Puderzucker-Sternchen aufblitzen sehen - sehr schön :).

Und weiter im Süden bleibend habe ich noch den Helixnebel NGC 7293, und später noch die Galaxien NGC 247 und
NGC 253 mitgenommen. Jeweils auch mit etwas Details, aber bei der tiefen Position wie gewohnt etwas blass.


Galaxien an der Grenze des 4-Zöllers

Der Himmel hatte sich noch weiter verbessert, die Durchsicht war jetzt hervorragend: Eine gute Gelegenheit mal die
Grenzen des Spektivs ein bisserl auszutesten.

Zuerst das Galaxienpaar NGC 7332 / 7339 -

zwei längliche Objekte in Kantenlage am Westrand
des Pegasus-Vierecks. Während die 11,1 mag helle
NGC 7332 problemlos zu erkennen war, musste ich
bei NGC 7339 (12,2 mag) sehr genau hinschauen:
Mit indirektem Sehen konnte ich dann aber mehrmals
blickweise den Eindruck eines subtilen länglichen
Leuchtens wiederholen. Das Paar dürfte um die
70 Millionen Lichtjahre von uns weg stehen.

Anschließend peilte ich einige klassische Galaxiengruppen des Perseus-Pisces Superhaufens an, die im Bereich
von rund 220 bis 250 Millionen Lichtjahren Entfernung liegen. Sie sind mir von größeren Fernrohren ab rund
10-Zoll Öffnung her gut vertraut, und standen bei dem guten Himmel gerade auch sehr hoch - schau mer mal
was da mit 99mm so geht ...

NGC 383-Gruppe

Bei der NGC 383-Gruppe konnte ich die 12,4 mag helle
Galaxie NGC 383 selber indirekt blickweise als ein schwaches
Fleckchen ausmachen, vielleicht addierte sich zum visuellen
Eindruck noch das Licht von der nah benachbarten Galaxie
NGC 382 (13,2 mag) mit auf. Und auch weiter nördlich blitzte
mit indirektem Sehen ein paarmal ein schwaches Leuchten auf.
Das war noch näher am Limit als bei NGC 383, ich denke aber
auch reell - da dürfte es sich um NGC 380 (12,5 mag) handeln.

NGC 507-Gruppe

Die immerhin 11,2 mag helle Galaxie NGC 507 war dagegen
problemlos zu erkennen, von all diesen Objekten deutlich am
einfachsten. Nach weiteren Mitgliedern der Gruppe habe ich
nicht speziell gesucht.

Abell 426

Schließlich ging es zum "Perseus-Galaxienhaufen" (Abell 426) um
die wissenschaftlich gut untersuchte, 11,9 mag helle NGC 1275, die
auch als Radioquelle "Perseus A" bekannt ist. Der Ausschnitt zeigt
ein Muster im Spektiv gut erkennbarer Feldsterne anhand derer ich
mich orientierte. Dabei blitzte NGC 1275 selber indirekt mehrmals
als diffuses Fleckchen an der richtigen Stelle auf. Das werte ich als
gesehen, während ich mir bei NGC 1272 trotz immerhin 11,8 mag
Helligkeit gar nicht sicher bin: Ich meine da ist indirekt schonmal
etwas aufgetaucht, aber meist nicht. Von der 12,4 mag hellen
Galaxie NGC 1278 habe ich nichts ausmachen können.

Also ein bisserl was konnte ich bei diesen weit entfernten Galaxien mit dem Spektiv ausmachen. Und dabei eher
die etwas größeren Objekte, obwohl diese dann eine geringere Flächenhelligkeit haben. Bei den relativ geringen
Vergrößerungen des Spektivs (hier im Zoombereich meist um 70-100x) dürfte eine gewisse Größe des Fleckchens
von Vorteil sein um wahrgenommen zu werden, vorausgesetzt die Flächenhelligkeit ist nicht zu niedrig.


Und sonst ...

... peilte ich auch klassische Highlights an: Ein ästhetischer Saturn und Jupiter mit schönen Farben plus Mond
Europa ganz nahe dran. Die Galaxie M33 konnte ich mit bloßen Augen indirekt als Fleckchen ausmachen, und
im Spektiv zeigte sich eine unruhige Oberfläche. Der Andromedanebel M31 zeigte Staubstrukturen, und bot bei
kleinen Vergrößerungen das gewohnt majestätische Ensemble in einem Gesichtfeld mit den zwei Begleitgalaxien.
Davon gibts aber noch mehr, der folgende Wikisky-Ausschnitt zeigt ...

... zwei weitere Satelliten des Andromedanebels (rechts)


Sie stehen weiter nördlich in der Kassiopeia: Die kleinere, aber deutlich flächenhellere Galaxie NGC 185 fiel sogleich
ins Auge, aber auch das eher zarte Leuchten von NGC 147 machte sich bei diesen hervorragenden Bedingungen ohne
Probleme deutlich bemerkbar: Zusammen mit dem sternreichen Vordergrund im Randbereich der Milchstraße ein sehr
schöner 3D-Eindruck im Okular ! Bei der sehr kleinen aber recht hellen Galaxie NGC 278 brauchte es eine höhere
Vergrößerung um die 100-fach um sie deutlich sichtbar zu machen.

Die Galaxien NGC 1023 und NGC 891 stehen auch hinter dem Außenbereich der Milchstraße; erstere erschien hell
und kompakt, und auch die schmale edge-on NGC 891 konnte ich sehr gut als schmale Spindel erkennen. Und nicht
zu vergessen der brillante Orionnebel M42, als er in zweiten Nachthälfte stetig höherstieg; mir fiel die türkise Farbe
deutlich ins Auge.

3:25 MESZ: Erste Wolken ziehen vor der Milchstraße auf

Unterwegs in der Milchstraße

Ich bin einer Anregung im Astrotreff gefolgt, und habe im Schwan - rund zwei Grad östlich von 22 Cygni gelegen -
den Farbkontrast-Doppelstern HJ 1470 eingestellt: Wirklich schöne Farben, ich habe orange zu bläulich gesehen.
Hier noch ein Link zu den schönen Zeichnungen von Rene und Sarah, ihren "Apfel" konnte ich gut nachvollziehen.

Nach Mitternacht war der Himmel in Zenitnähe ausgezeichnet, und die Sternhaufen in Kassiopeia und Perseus
kamen für 4-Zoll Öffnung großartig heraus: Brillanz und Farben in h+Chi Persei noch besser als beim letzten Mal
im August, und noch mehr Puderzucker-Sternchen in NGC 7789 - und hier noch ein Abstecher zum spektakulären
Farbkontrast-Doppelstern WZ Cas, unserer alten "Ampel" :). Ein weiteres Indiz für die besondere Himmelsqualität:
Den Sternhaufen NGC 609 hatte ich im 99mm Spektiv noch nicht ausmachen können, jetzt machte er sich neben
dem Sternenpaar indirekt sogleich als schwache, aber problemlos erkennbare rundliche Aufhellung bemerkbar !

Gegen Ende hin hab ich noch die klassischen Haufen M37 und M35 besucht: Wie gewohnt großartig, und neben
M35 stach der Hintergrundhaufen NGC 2158 als heller kleiner Nebel hervor.

3:56 MESZ: Orion und Sirius über dem Seeberg

Das Drumherum in der Natur

In den acht Stunden am Platz kamen nur einmal ein Auto und ein Fahrrad vorbei, akustisch war ich aber nicht allein.
Mal waren Wildschweine zu hören, mal auch der Waldkauz und vermutlich noch andere Raubvögel. Es dominierte
aber ganz eindeutig ein anderes Orchester: Das Röhren der Rothirsche, es ist ganz offenbar Brunftzeit. Über Stunden
meldeten sich verschiedene Tiere aus Richtung Miesing, aus Richtung Seeberg und von den kleinen Waldhügel im
Osten her; dabei schwankte die Intensität, viel Röhren vor Mitternacht, dann eine längere Pause und ein erneutes
Aufleben ab etwa zwei Uhr.

Gegen Morgen hin wurde das Gras etwas feucht, die Optiken blieben aber durchgehend trocken. Die Temperaturen
blieben recht angenehm, gegen 5:00 hatte es laut Wetteronline noch neun Grad.

Beim Aufbruch gegen halb Fünf begleitete mich eine gleißende Venus im Löwen. Der Zug ging kurz nach Fünf,
und gegen sieben Uhr war ich wieder zuhause - eine sehr schöne Nacht :)


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