Eine hervorragende Nacht im Isarwinkel

Nacht von Mittwoch den 3., auf Donnerstag den 4. August 2022

Die Nacht auf Donnerstag versprach für den Alpenrand einen sehr guten Himmel: Wolkenlos, mit gutem Seeing bei nur
rund 50% Luftfeuchtigkeit; zudem würde der sechs Tage alte, zunehmende Mond abends noch nicht allzulang herein
leuchten. Ich hatte den Donnerstag frei, und so nahm ich mir mal wieder eine ganze Beobachtungsnacht vor: In Zeiten
des 9€-Tickets diesmal nur mit der Bahn, abends hin und früh morgens wieder zurück, mit möglichst wenig Gepäck.
So bot sich als Fernrohr das Spektiv plus Drumherum an, bisserl Proviant und die Kamera; allzuviel an zusätzlichen
Klamotten war bei den gerade herrschenden warmen Hundstagen nicht nötig.

Ich wär schon gerne für die Nacht aufs Brauneck gefahren, nur hätte ich die letzte Gondel sicher nicht mehr gekriegt.
Martin Brückner wollte ich es aber nicht gleichtun, der bei unserer Braunecknacht ja sehr sportlich die steilen 800
Höhenmeter hochgewandert ist. Ich hab mich aber trotzdem für den Zug nach Lenggries entschieden, um vom Bahnhof
ein paar Kilometer grob in Richtung Südosten zu gehen. Isaraufwärts liegen nur noch ein paar kleine Orte, und dahinter
die dunklen Weiten des Karwendels - alles bestätigt durch die Lichtverschmutzungskarten, die einen schön dunklen
Himmel versprechen.

20:15 MESZ: Das 99mm-Spektiv wartet auf die Nacht

Die Mondsichel in der Dämmerung


Ich hatte mir ein Areal entlang eines Wanderweges ausgeguckt, das schon deutlich oberhalb des Talbodens gelegen ist;
von Topografie und umgebender Bewaldung her sollte es ganz gut gegen Fremdlicht abgeschirmt sein. Ich brauchte vom
Bahnhof eine knappe Stunde und war kurz vor acht im Zielgebiet - und echt erleichtert: Ich sah zwar Kühe auf der Wiese,
diese waren aber durch einen Weidezaun von meinem Weg getrennt. Gegen neugierige Kühe direkt am Spechtelplatz ist
bekanntlich kein Kraut gewachsen, da wäre nur die Flucht geblieben. So aber konnte ich einen Platz am Rand einer
gemähten Wiese auswählen. Hinter einem kleinen Wäldchen war anfangs noch der Bauer beim Mähen aktiv, bei
Dunkelwerden machte er dann allerdings Feierabend.

Mond und Doppelsterne

Ich hab gleich mal den Extender angeschraubt, der im Zoomokular Vergrößerungen von 48- bis 110-fach erlaubt. Das war
in doppelter Hinsicht dem Mond geschuldet: Einmal um ihn selbst anzuschauen, bei knapp 100x steht er schön bildfüllend
im Okular. Und zum anderen zwecks Beobachtung von Doppelsternen: Das einzige an Deep-Sky Objekten, was bei dem
hellen Mondlicht vernünftig geht, und höhere Vergrößerung können viele auch gebrauchen. Knackscharfe Details auf dem
Mond: In dieser Phase die Krater Aristoteles und Eudoxus markant nahe des Terminators, die Bergketten Montes Caucasus
und Montes Haemus als leuchtende Bögen vor noch dunkler Umgebung, und die Rima Aridaeus-Rinne schön zu erkennen.
Schon im Dunkeln kamen noch zwei einheimische Wanderinnen vorbei, denen der Mond gefiel ("Mei die Krater, alles so
deutlich"); und später noch ein Wanderer, der selber auf SQM-Werte zu sprechen kam - ein Freund ist Astrofotograf.

Und zu den Doppelsternen: Mit "Otto Struve 358" im Herkules hatte ich einen engen Teststern ausgeguckt, zwei fast gleich
helle 7 mag-Sterne in 1,7" Abstand - bei 110x haarfein getrennt. Ansonsten Genuss-Spechteln mit klassischen Farbkontrast-
Doppelsternen: Alpha Her (Ras Algethi), 95 Her, 70 Oph, Beta Cyg (Albireo) und "Otto Struve 525" (nah beim Ringnebel
in der Leier) - und später auch noch Gamma And (Alamak) und 15 Tri, als die im Nordosten höher gekommen sind.
Mal war der Farbkontrast deutlicher, mal eher subtil

23:09 MESZ: Eine tolle Milchstraße kurz vor dem Meridian


Offene Sternhaufen

Nach dem Untergang des Mondes kam die Milchstraße prachtvoll heraus, ein hervorragender Himmel ! Eines meiner
Hauptziele waren für diese Nacht Offene Sternhaufen. Dazu war ich in ganz unterschiedlichen Regionen unterwegs,
mit Schwerpunkt im Schwan. Ich hatte keinen Atlas dabei, und musste bisweilen etwas herumrühren, bis ich das Objekt
gefunden hatte - zwei kamen dabei eher zufällig des Weges. Alles mit dem Zoomokular (30-70x), hier eine Übersicht:

Objekt Helligkeit Eindrücke aus dieser Nacht
M11 5,8 mag Ein absolutes Highlight, dicht gepackt mit vielen Sternen
NGC 6709 6,7 mag "Insekt mit den zwei Augen" gut erkennbar
NGC 6633 4,6 mag sehr hell und locker, am besten im Feldstecher
IC 4756 4,6 mag bildfüllend groß und locker, am besten im Feldstecher
NGC 6819 7,3 mag Foxhead-Cluster, bei 70x etliche feinste Puderzucker-Sternchen
NGC 6811 6,8 mag locker strukturiert; "Sternhaufen mit Loch" als solches gut erkennbar
NGC 6866 7,6 mag Kite-Sternhaufen; "Windschirm" sticht heraus, erinnert mich an Haifischgebiss
NGC 6940 6,4 mag am besten bei kleinster Vergrößerung, locker & recht sternreich
NGC 6991 A/B ? lockerer Haufen, Verdichtungen erkennbar - Reflexionsnebel nicht erkannt
IC 1369 8,8 mag bei 70x indirekt Einzelsterne, längliche Sterngruppe; naher Dunkelnebel B361 deutlich
NGC 7062 8,3 mag sehr kompakt, einige Einzelsterne erkennbar
M39 4,6 mag Dreieck aus wenigen hellen Sterne, am besten im Feldstecher
NGC 7086 8,4 mag kompakt, in etliche Sternchen aufgelöst
NGC 7789 6,7 mag feinste Puderzucker-Sternchen vor nebligem Hintergrund, großartig
NGC 457 6,4 mag Eule gut sichtbar, sehr schön
NGC 663 7,1 mag viele Einzelsterne, sehr schön
NGC 654 6,5 mag erst wie ein Nebel, indirekt angelöst
h+chi Persei 4,3 + 4,4 mag bei jeder Vergrößerung genial gut


23:38 MESZ: Bootes und Großer Wagen über dem Brauneck


Kugelhaufen, Gasnebel und Galaxien

Außerdem hab ich ein paar Kugelhaufen mitgenommen: Wunderbar aufgelöst M22 unten im Schützen, während bei
M13, M12 und - schwieriger - M10 erst mit indirektem Sehen eine größere Anzahl feinster Puderzucker-Sternchen
zutage getreten ist; den besten Eindruck machten sie so im Bereich von 70- bis 100-facher Vergrößerung.

Sehr gut präsentierten sich die bekannten hellen Gasnebel M8, M20 und M17, sowie auch der Nordamerikanebel
(NGC 7000) und der Pakmannebel (NGC 281) - letztere jeweils mit OIII-Filter bei 20-facher Vergrößerung im 24er
Panoptik. Dieses Okular hatte ich eigens für den OIII-Filter mit dabei, da der beim Zoomokular gar nicht verwendet
werden kann. Das Highlight war in dem Zusammenhang der Cirrusnebel: Trat mit OIII bereits der "Sturmvogel"
beiderseits des Sternes 52 Cygni deutlich hervor, so präsentierte sich die "Knochenhand" (NGC 6992-95) richtig
eindrucksvoll, mit vielen Details und feinen Verästelungen- sehr nett im kompakten Kleinformat, wenn sie auch mit
dem überaus spektakulären Eindruck in großen Dobsons natürlich nicht mithalten konnte.

Zum Morgen hin hab ich schließlich noch drei Galaxien aufgesucht: Sehr schön der Andromedanebel (M31) mit seinen
beiden Begleitern bei kleiner Vergrößerung, das erinnert an mir bekannte Eindrücke in Großfeldstechern. M33 zeigte
schon eine gemottelte Struktur, und der helle Knoten NGC 604 war gut auszumachen. NGC 891 war als schmale Nadel
vor allem indirekt gut erkennbar. Und nicht zu vergessen die Planeten Jupiter (mit Wolkenbändern und seinen Monden)
und Saturn (der Ring schon bei 30x sehr deutlich) - ein sehr vertrauter Anblick.

Apropos M33: Der Himmel war so gut, dass ich die immer höher steigende Galaxie zum Morgen hin recht problemlos
mit bloßen Augen ausmachen konnte - blickweise mit indirektem Sehen. Auf der folgenden Aufnahme kann man M33
auch als Fleckchen erkennen, zusammen mit M31 und den Sternhaufen h+chi Persei und NGC 752:

2:25 MESZ: Eine Kuh mit den aufgehenden Plejaden


Nochmal zu den Kühen ...

Die waren echt neugierig, und wie es Haley schon mal ausgedrückt hat: Für die passiert den lieben langen Tag
nicht viel, da ist eine kleine Abwechslung sehr willkommen. Manchmal standen zwei oder drei direkt bei mir
am Zaun und fragten sich vielleicht, was ich hier so treibe ;-). Ich hörte sie schnaufen, kauen, husten und alles
was wir Säugetiere auch sonst so tun müssen. Viel Stress dürften sie nicht haben, alles sehr entschleunigt ;-)

3:50 MESZ: Sommerdreieck inzwischen im Westen

Rückweg in der Dämmerung

Ich hab es so eingerichtet, dass gegen vier Uhr
alles zusammengepackt war, und ich aufbrechen
konnte. Im Nordosten war der Fuhrmann schon gut
zu sehen, passt irgendwie nicht mit einer so milden
Hochsommernacht zusammen: Ich könnte jetzt noch
M37 einstellen. Ob ich den jemals bei gut 15 Grad
Außentemperatur im Okular drin hatte ? ;-)

Machte sich die Morgendämmerung erst nur als zarter
Hauch bemerkbar, so wurde der Himmel während des
Rückwegs zunehmend heller. Einmal blieb ich stehen,
um im Osten schon Teile des Orions - mit einem der
Gürtelsterne über einem Haus - in der Dämmerung zu
erkennen. Ich war schon ziemlich müde, aber ich musste
ja nicht Auto fahren. Stattdessen erwischte ich noch den
5:04 Zug nach München, die Heimfahrt hab ich dann im
Wesentlichen verpennt.

Gegen halb Sieben war ich wieder daheim, um mich
gleich ins Bett zu hauen. Schee wars, mit einem sehr
guten Himmel :)


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