An der Kehre auf der Nordseite |
An der Südseite |
Der 9,5-Zoll "Fünfling" wäre ja bereit gestanden; ... |
... so sind wir aber dem neugierigen Besuch gewichen |
"Nun, ganz langsam wird es dunkel. Ich bin sehr gespannt auf die Milchstraße, für die ich mich besonders
interessiere. Das Wetter ist gut, aber es gibt einige Wolkenschleier. Die Milchstraße kommt zum Vorschein,
sie verläuft groß und ausgedehnt fast parallell zum Abhang der 2277m hohen Hornspitz, welche sich mächtig
über unserem Beobachtungsplatz auftürmt. Ich achte besonders auf den Dunkelnebel 'Das Tänzelnde Pferd'
oder 'Dark Horse' im Ophiuchus, um das mit der letzten, grandiosen Nacht in Münchner Vorland zu vergleichen;
das kann bis in die tiefe Dämmerung in der Sichtbarkeit für das bloße Auge mithalten, doch dann kommt der
dunkle Standort hier so richtig zum tragen. Jetzt muss ich nicht mehr nach den einzelnen Gliedern des tänzelnden
Pferdes suchen, sondern kann diese sofort und auf einmal wahrnehmen."
"Im Süden ist eine leichte Aufhellung in der Villacher Richtung zu sehen, die aber gering ist. Die Milchstraße ist
jetzt über die ganze Erstreckung mehr als gewohnt strukturiert. Die Schwanwolke wirkt leuchtkräftig, Ben weist
auf den Glanz der Schildwolke und des Zentrums der Milchstraße hin. Er sieht diese als grünlich. Ich selbst sehe
keine Farbe. Mit fällt auf, wie weit und unabhängig das Milchtraßenzentrum über dem Horizont schwebt. Das
hängt vor allem damit zusammen, dass es nicht durch Lichtglocken von unten bedrängt wird. Und es hilft auch,
dass wir hier auf 47,2 Grad Nord noch einen kleinen Tick weiter südlich sind.
Ich finde, dass der Himmel nicht schwarz, sondern grau ist, da war meine Erwartungshaltung etwas zu hoch. Ben
stuft die Milchstraße und die Dunkelheit des Himmels als das Beste oder mindestens gleichwertig mit anderen
'besten' Alpenstandorten ein, die er bisher besucht hat. Ich mache mit dem 15x60 Fernglas einen Spaziergang.
Besonders die Milchstraße im Schwan ist sehr kontrastreich. Ich sehe den Cirrus-Nebelbogen mit Knochenhand.
Bei 52 Cygni sehe ich den breiten Fächer von NGC 6960, der nach unten zum Horizont zeigt. Ich sehe nichts
vom westlichen, schmalen, spitzen Nebelteil von NGC6960. Um so schöner ist dieser in Ben's 5ling."
"Großartig ist das Gewirr der Dunkelnebel um 37 Cygni, Sadr. Diese erscheinen im 15x60 als schwarz. Der
Nordamerikanebel ist leicht und bildfüllend. Die Abgrenzung zu den noch helleren, kleinen Milchstraßenwölkchen
westlich davon ist nicht so klar, 2 Dunkelnebel bilden eine nicht so starke Abtrennung. Weiter westlich schließen sich
runde und langgezogene Dunkelnebel an, die sich sehr kontrastreich absetzen. In diesen ist bisweilen kein Stern zu
entdecken. Die Dunkelheit des Standortes eröffnet hier große Möglichkeiten. Die Milchstraße erinnert jetzt an manche
etwas übertrieben strukturierte Zeichnung der Milchstraße, die die Milchstraße in viele kleine Wolken und Ausläufer
zerlegt. Die kann man bei schlechterem Himmel nicht sehen, hier aber schon.
Mit Marvin komme ich tiefer ins Gespräch, das ist auch angesichts meiner erheblichen Müdigkeit angenehm anregend.
Marvin hatte die Lichtverschmutzungskarten genau studiert und ist so zum ersten mal in den Bergen, und dann gleich
an einem so guten Standort, gelandet. Zeitweise haben wir im Norden Wolkenschleier. Mir fällt das daran auf, dass
plötzlich der eine oder andere Stern des Großen Wagens abgeschwächt ist und daran, dass der Himmel etwas heller
wirkt. Konturen der Schleier sind nicht auszumachen. Hier kommt eben doch noch etwas künstliches Licht zu den
Wolken. Später kommt Jupiter in Sicht. Mir fällt die große, dominierende Leuchtkraft auf. Jupiter wirkt wie Venus
an meinen mittelguten Standorten, das gefällt mir."
Das sehe ich wie Ralph: Der Himmel war wirklich großartig, mit wunderbarer Milchstraße bei auffällig dunklem
Hintergrund ! Ich habe schon andere tolle Nächte in den Hochalpen erlebt, zumindest kann ich mich an keine
erinnern, wo die Milchstraße noch besser herausgekommen ist. Vermutlich spielt auch die allgemeine Situation
wegen Corona und dem damit verbundenen reduzierten Flugverkehr eine Rolle: Wir hatten seit letztem Jahr ja
ungewöhnlich viele gute Nächte !
Ich zeigte Marvin am Fünfling einige der klassischen Highlights: M13 machte sich für die Öffnung ganz prächtig,
desgleichen auch der Cirrusnebel und h+Chi im Perseus. Zudem war ich längere Zeit in der südlichen Milchstraße
unterwegs: Großartig M22 und M8, wie auch M17 und M16 - mit OIII-Filter trat das zentrale, dunklere 'v' der
'Starqueen' deutlich hervor. Schön auch die Kugelhaufen M5 und M92, der Ringnebel M57, der Crescentnebel
NGC 6888 sowie das Paar NGC 6939/NGC 6946; bei NGC 6946 konnte ich den zentralen Spiralarm erkennen.
Immer wieder habe ich auch den Feldstecher zur Hand genommen, um einfach in der Milchstraße zu stöbern -
oder den tollen Himmel mit bloßen Augen zu genießen.
Von M13 wechselte ich hinüber zu den zwei rund 400 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxienhaufen Abell
2197 und Abell 2199, nicht weit von M13 entfernt. Gut zu erkennen die kleine Ellipse von des Blazars NGC
6146, sowie NGC 6173 und NGC 6166; bei letzterer Riesenellipse konnte ich nebenan auch NGC 6158 sehen.
"Ich habe den Eindruck, dass der nach Ophiuchus abzweigende, auffällig hell leuchtende Milchstraßenarm eine
schwache Fortsetzung über die große Dunkelwolke im Ophiuchus haben könnte. Auch vermute ich sehr schwach
etwas Milchstraße über den Scheren des Skorpions. Letztlich kann ich das nicht klar entscheiden. Hier ist es auf-
schlussreich sich das tiefe Milchstraßenpanorama des Gaia-Satelliten anzuschauen. Es zeigt, dass in diesen
Bereichen die Milchstraße noch sehr präsent ist. Es zeigt auch, wie die Dunkelwolken im Ophiuchus vom Adler
über Antares zum tänzelnden Pferd miteinander über Filamente verbunden sind ... Auf meinen kontrastverstärkten
Stacks mit dem 7.5mm Fisheye aus dieser Nacht lassen sich die wesentlichen Teile dieser Dunkelnebel und deren
Verbindung untereinander auch nachvollziehen. Generell ringe ich noch um das Verständnis, welches Sternlicht
hier von den Armen oder den Bulge-Sternen stammen könnte. Allerdings sieht man, dass die Dunkelwolken recht
weit von der Milchstraßenebene entfernt noch auftreten. Das dürfte bedeuten, dass entprechend auch viele Sterne der
Armpopulation dort entstanden sind und zum Licht beitragen, welches sich mit dem Licht der Bulge-Sterne mischt."
Übertagen: Schöne Landschaft ... |
... zwischen Sölkpass und Murtal (Bilder: Ralph Muth) |
Vor der zweiten Nacht: Blick nach Norden ... |
... und Süden |
Ja, die Durchsicht war zwar erneut hervorragend, aber bei dem Wind hab ich nur mit dem 8x42 Fernglas beobachtet.
Dazu bin ich den Hang etwa 20 Meter höher hinauf gestiegen, um dort eine bequeme und etwas windstillere Kuhle
zum Liegen zu finden: Wunderbare Eindrücke im Fernglas beim Streifzug entlang der Milchstraße, mit vielen hellen
und dunklen Strukturen; dazu mit einer sehr augenfälligen "Knochenhand", und auch Teilen des "Sturmvogels"
im Cirrusnebel. Genuss-Spechteln pur :)
Sehr eindrucksvoll auch die Spaziergänge zur Kapelle rüber und zurück: Mit den abschirmenden Bergen links und
rechts, und dazwischen eine ungewöhnlich gut konturierte Milchstraße im Kontrast zu einem ungewöhnlich dunklen
Himmelshintergrund ! Wie schon früher an der Bielerhöhe konnte ich auch hier das 7,1 mag helle Sternchen nahe am
Polarstern mit indirektem Sehen blickweise ausmachen.
Ralph schlief schon draußen im Schlafsack, als ich gegen 2:00 in meinen Schlafsack gekrochen bin. Es waren
einzelne Wolken aufgezogen, die sich ungewöhnlich dunkel vom Hintergrund abhoben; das kenne ich als Merkmal
für einen richtig dunklen Standort, da kommt von unten kaum Licht an die Wolken. Ich dachte aber noch: Ob das
schlechte Wetter jetzt wohl von Norden herein schwappt ? Bei der Müdigkeit kümmerte mich das aber nicht weiter,
und bald schlief ich auch. Ich wachte auf, als der Regen auf den Schlafsack prasselte. Das brachte mich allerdings
schnell wieder auf den Beine ...
Ich übergebe wieder an Ralph, er beschreibt die Situation sehr genau: "Mitten in der Nacht werde ich von Ben's
Rufen wach, es hat angefangen heftig zu regnen. Der Wind kommt jetzt aus Nord. Ich raffe so schnell es geht meine
Sachen zusammen und quetsche mich mit diesen in das praktische, aber kompakte Auto. Ich war zuvor zu faul gewesen
meine Biwaksäcke zu suchen und über den Schlafsack zu ziehen. So hatte ich keine andere Chance als die Flucht. Dann
fehlt mir meine Brille und die Lampe, ich schaue im Regen nach draußen, da liegt aber nichts. Dann bemerke ich, dass
ich auf dem Etui der Brille sitze. Auch die Lampe findet sich wieder ein. Da sitze ich mit Ben mit viel Adrenalin und
schlechten Aussichten für Schlaf in der Nacht. So würde eventuell die Heimfahrt mit zu zu großer Müdigkeit nicht
gelingen. Ich positioniere mich im Sitz quer und lege das Kissen an den Türpfosten zu und versuche zu dösen, in der
Hoffnung mich wieder abzuregen. Luft gibt es auch nicht viel, denn wenn man die Fenster aufmacht, regnet es herein.
Zu meinem Glück hört der Regen nach etwa 30 Minuten auf und einige Sterne sind zu sehen. Ich warte noch etwas und
lege dann meine Schlafsachen nach draußen und ziehe den Tyvek Selbstbaubiwaksack darüber. Dieser ist für einen
echten Regen für die lange Thermarest zu kurz und auch vom Material nicht ganz geeignet. Den anderen Biwaksack
suche ich nicht, denn mein Gepäck füllt die Stauräume vollständig aus, und ich müsste alles durchwühlen. Ben wechselt
auf den Beifahrersitz und und kippt diesen so weit möglich, er ist das Schlafen auf diese Weise gewohnt. Der Biwaksack
flattert im Wind an meinem Ohr, doch es kommt kein Regen und ich schlafe ein."