Drei Nächte im November 2020

In der Neumondphase im November war ich zweimal zum Beobachten in den Bayerischen Alpen, und einmal
nahe an den Bergen unterwegs:


Ein Abend oberhalb des Spitzingsees

Freitag, den 6. November 2020 - mit Ralph.

Ralph hatte mich eingeladen, ihn abends zum Spitzingsee zu begleiten, um dort mit dem Feldstecher zu beobachten.
Wir sind noch rund 300 Höhenmeter aufgestiegen, und haben auf der Isomatte zwei Stunden klaren Berghimmel
genießen können. Ralph hat dazu einen schönen Bericht im Astrotreff veröffentlicht:
Bericht von Ralph


Ein Abend im Graswangtal

Samstag, den 14. November 2020.

Die Parkregeln werden strenger

Ich hatte für mein "Fünfling"-Fernrohr diesmal einige ziemlich lichtschwache Objekte im Visier, und das verlangte
nach einem möglichst dunklen Himmel. Da ist der Ammersattel ein guter Kandidat, zumal auch der Nebel in diesem
engen Taleinschnitt gerne außen vor bleibt. Das Wetter sah gut aus, als ich das Graswangtal hinauf gefahren bin.
Es waren sehr viele Ausflügler unterwegs, überall standen Autos. Schon bei meiner Durchfahrt im Sommer hatte ich
bemerkt, dass einige der Parkplätze neuerdings mit Nachtparkverbot belegt waren, und das war jetzt auch auf unseren
bevorzugten Beobachtungsplatz ausgeweitet worden. So bin ich wieder etwas zurückgefahren - talabwärts -, um mich
an einer kleinen Parkbucht direkt am kiesigen Lindergries aufzustellen - hier stand kein Schild: Ich hab den Fünfling
direkt auf den breiten Kiesstrom getragen, etwas von der Straße weg. Die Umgebung mit den bis zu fast 2200 Meter
hohen Bergen ist fast unbesiedelt. Anfangs leuchtete von den vielen heimkehrenden Autos der Wanderer aber noch
viel Licht von der Straße herein.

Der 9,5-Zoll "Fünfling" mit den Geierköpfen (2163m)

Die Ranger kommen vorbei

Gegen halb acht sah ich ein Auto hinter meinem halten. Es waren Ranger, die mich darauf hinwiesen, dass das
Parken an unbezeichneten Parkplätzen hier jetzt generell verboten sei, und Strafe kosten würde. Ich erklärte ihnen
mein Tun, und der Ranger meinte, dass ich den Sternhimmel schon noch etwas genießen könnte: "Aber es ist Ihre
Verantwortung. Gegen Morgen kontrolliert hier die Polizei, und die verlangt dann rigoros 55 €."

Auf der Webseite des Naturschutzgebietes steht, dass man die Leute nachts herauszuhalten will, damit die Tiere
zumindest dann vom Menschen ungestört sind. Was allerdings zur Folge hat, dass für Beobachter die Möglichkeit,
an dunklen, alpinen Standorten zu spechteln, zunehmend eingeschränkt wird. Und Ralph und ich sind neulich auch
im Skigebiet Spitzingsee auf ein Nachtparkverbot am Parkplatz gestoßen, was aber primär gegen Wohnmobile
gerichtet sein dürfte.

Ich überlegte kurz, nach Geigersau rüberzufahren, bin dann aber dageblieben. Vielleicht war es das letzte Mal, dass
ich im oberen Graswangtal beobachten würde, und das wollte ich mit der tollen Naturkulisse drumherum nochmal
genießen - jedoch mit der Absicht, vorzeitig heimzufahren, ohne Übernachtung im Auto.

Im Grenzbereich Cepheus-Cassiopeia

Ich besuchte den zentralen Teil des Cepheus um den Doppelstern Xi, was ich allerdings fünf Tage später am
Auerberg noch detaillierter getan habe - mehr im Bericht dazu. Vorab nur eines meiner Ziele dieser Gegend: Der
lichtschwache Planetarische Nebel NGC 7139 war bei 100-facher Vergrößerung indirekt gerade so auszumachen,
und trat mit OIII-Filter noch ein wenig deutlicher hervor.

Dann war ich war eine Zeitlang im Grenzbereich der Sternbilder Cepheus und Cassiopeia unterwegs. Zwei Highlights
sind hier die sternreichen, jeweils gut 7 mag hellen Haufen M52 und NGC 7789. Sie kamen schon bei 45-facher
Vergrößerung eindrucksvoll rüber, als sie sich sehr deutlich im Kontrast zum Hintergrund der Milchstraße abhoben.
Und westlich von M52 liegt eine richtig interessante Region: Der sehr dichte kleine Sternhaufen NGC 7510 erinnert
mich von der Form her an eine schlanke Maus. Er ist Thema in einem der aktuellen Deep Sky Objekte des Monats im
Astrotreff: Mit mehreren veröffentlichten Zeichnungen, und einige der dargestellten Sternketten und -figuren konnte
ich bei 160-fach gut nachvollziehen. Ganz in der Nähe fällt der helle kleine Gasnebel NGC 7538 sofort ins Auge, und
mit dem OIII-Filter bin ich Teile des Nebelkomplexes Sh 2-157 abgefahren: Besonders der nach Norden reichende
"Finger" dieses Sharpless-Objekts war klar zu erkennen. Tolle Gegend !

Und NGC 7789 liegt im Umfeld des hellen Sternes Caph, dieser markiert das obere rechte Ende des "Himmels-W"
der Cassiopeia. Hier habe ich drei schwierigere Objekte probiert: Das Licht der Galaxie IC 10 musste sich erst durch
unsere eigene Milchstraße durchwühlen, um stark gedimmt an meinem Okular anzukommen. Mit indirektem Sehen
konnte ich mit 100x blickweise ein schwaches Leuchten ausmachen, in einem sehr sternreichen Feld. Was dann auch -
nur jetzt mit einem OIII-Filter - für den Planetarischen Nebel Abell 82 gegolten hat; dagegen hatte ich bei seinem
Artgenossen Abell 84 - knapp sechs Grad weiter südlich gelegen - keinen Erfolg. Im visuellen Grenzbereich wird ja
auch von "inverted imagination" gesprochen. Das könnts bei mir gewesen sein, mehr aber nicht ;-) Es wurde aber
allmählich auch etwas feuchter, ich möchte ihn nochmal mit dem Fünfling probieren.

Von der Straße leuchtete es manchmal rein

Aufsteigender Winterhimmel

Ein weiteres Monatsthema im Astrotreff behandelt einige Objekte in der Nähe des Himmelsnordpols: Der Haufen
NGC 188 zeigte sich bei 100-fach in zahlreiche schwache Sternchen aufgelöst, locker verteilt und in etwa gleichmäßig
hell; letzteres ist typisch für einen so alten Sternhaufen (geschätzt über 6 Milliarden Jahre), bei dem die hellsten Sterne
inzwischen wohl kaum viel mehr als Sonnenmasse besitzen, und sich gerade in ihrer Rote-Riesen Phase befinden. Die
ehemaligen Leuchtkerzen sind längst als Supernova oder planetarischer Nebel verpufft. Auch in der Polregion habe
ich noch das Galaxienpaar NGC 2276 / NGC 2300 mitgenommen, erstere liegt fast neben einem Stern.

Die Feuchtigkeit machte sich nun zunehmend bemerkbar, und der Fangspiegel fing an zu beschlagen. Ich war gerade in
der M15-Gegend unterwegs, und wollte noch den benachbarten schwachen Planetarischen Nebel NGC 7094 mitnehmen.
Ich konnte hier aber nichts Definitives erkennen, das dürfte allerdings auch mit der Feuchtigkeit zu tun gehabt haben.
Ich habe die gleichen Objekte fünf Nächte später am Auerberg noch einmal drin gehabt, und hab da mehr gesehen. Das
war für mich ein guter Anlass - zusammen mit dem Parkplatz-Problem - zusammenzupacken und heimzufahren. Wie
immer war das Drumherum mit der nächtlichen Natur ein tolles Erlebnis - die Gegend ist halt so richtig abgelegen.
Aber mit dem Spechteln hier ist es wohl erstmal vorbei ...


Eine Nacht am Auerberg

Nacht von Mittwoch, den 18. November, auf Donnerstag, den 19. November 2020

Ich hatte den nächsten Tag frei, und wollte direkt von der Arbeit zum Beobachten fahren - mein 9,5"-Zoll Fünfling
lag im Auto. Der Mond fiel abends noch kaum ins Gewicht, nur dreieinhalb Tage nach Neumond und in tiefstehender,
südlicher Position. Es sah nicht nach Nebel aus, nur zog von Norden nach Süden ein breites Zirrenfeld durch, das nach
Westen hin bis fast zum Lech reichte. Das versprach gute Chancen für den Auerberg, der - von mir aus gesehen - bereits
jenseits des Lechs liegt. Nun denn, auf gehts ! Unterwegs wirkte die Alpenkette wie ein Scherenschnitt am Horizont, toll.
Es dämmerte schon kräftig, als ich oben am Berg das Fernrohr zum Spechtelplatz herüber getragen habe. Es war mild.

Abendliche Stimmung vor den Bergen

Die Nacht sollte durchgehend trocken bleiben, bei tendenziell stärker werdendem Wind. Die Kirche am Gipfel
war bis 22:45 beleuchtet, und das machte sich im Norden bemerkbar; danach war es nochmal spürbar dunkler.
Ich hatte Haley zu Anfang der Nacht angerufen, der daheim - noch weiter im Westen - auch klaren Himmel hatte.
Er war gleichermaßen gerade dabei, mit dem Spechteln anzufangen. Den Wind spürte Haley dann auch, denn er
hatte mir gegen 1:00 eine Mail geschrieben:"... Hat dich der Wind am Auerberg schon weggeblasen? Deswegen
muß ich immer wieder mal ins Warme, obwohl es eigentlich toll warm wäre draußen." Er war dann 'nostalgisch'
unterwegs:"... habe vorhin auf einer kleinen Hottie Ölspur verweilt. Ich konnte einfach nicht widerstehn und der
Fornax Cluster mußte sein. ... Gegenschein geht ja auch, steht knapp südwestlich der Plejaden!"

18:27 MEZ: Saturn und Jupiter jagen den untergehenden Mond

21:59 MEZ: Der Winterhimmel kommt höher

Im zentralen Cepheus

Ich bin längere Zeit im zentralen Sternviereck des Sternbildes Cepheus unterwegs gewesen, die Gegend, in die Ralph's
"kleiner Milchstraßensporn" hinein ragt. Christopher Hay hat sich intensiv damit beschäftigt, und als Mitglied bei den
"Freunden der Nacht" einen sehr interessanten Bericht über die dort gelegene (Stern-) Assoziation Cepheus OB2
veröffentlicht. Den hatte ich bei einigen der folgenden Objekte im Hinterkopf:

Mein Einstiegspunkt war der mit 45-facher Vergrößerung auflösbare Doppelstern Xi Cephei (4,4 mag - gegenseitiger
Abstand 8"). Ich konnte einen Farbkontrast erkennen, die schwächere Komponente geht mehr ins gelblich-orange. Die
ganze Gegend ist reich an helleren Sternen, etliche davon im Bereich von 7 bis 9 mag Helligkeit. Knapp zwei Grad nord-
westlich von Xi stößt man auf interessante Sternmuster, darunter ein kleiner "Oriongürtel" - drei Sterne in dichter Reihe
nebeneinander. Jenseits davon konnte ich den nur 9 mag hellen Sternhaufen NGC 7142 - am besten mit indirektem Sehen -
in eine dichte Ballung kleiner "Puderzucker-Sternchen" auflösen, sehr schön. Sein Alter wird auf 4,5 Milliarden Jahre
geschätzt. Und fast nebenan fiel der kleine Reflexionsnebel NGC 7129 sofort ins Auge; mit rund 3000 Lichtjahren dürfte
er aber nur etwa halb so weit entfernt liegen wie NGC 7142. Das Paar war bereits Astronomy Picture of the Day.

In der Umgebung von Xi Cephei hab ich zwei Sternhaufen besucht, die in Christopher's Bericht explizit eine Rolle spielen:
Zum einen südöstlich den jungen Sternhaufen Pismis-Moreno 1, der den Doppelstern Struve 2896 enthält; den von ihm
anregten Gasnebel konnte ich aber mit dem UHC-Filter nicht erkennen. Das erwähnte Sternmuster des Zaubererhuts war
aber sehr nett zu sehen. Und zum anderen im Südwesten NGC 7160, der fällt ins Auge - hier stehen einige hellere Sterne
eng zusammen.

Weiter im Süden kam ich über die kleine geometrische Sternfigur der vier Sterne von 15 Cephei - umgeben von den recht
auffälligen Dunkelnebeln B174 und B170 - zum markanten Cepheus-Sterndreieck Delta-Epsilon-Zeta: Da beobachtete ich
die Sternhaufen NGC 7281, NGC 7261 und NGC 7235, wobei ersterer kein physischer Sternhaufen sein dürfte, sondern
nur ein zufälliges Sternmuster in der Milchstraße; NGC 7235 zeigte sich schön dicht und kompakt.

Von hier ging es zum bekannnten Roten Überriesen My Cephei, dem rötlich strahlenden "Granatstern": Das ist ein guter
Einstieg in den großen Gasnebelkomplex von IC 1396, der bei 45x längst nicht mehr ganz ins Gesichtsfeld des Okulars
gepasst hat. Zentral im Nebel stehen die Doppelsterne Struve 2819 und Struve 2816; letzterer bildet sogar eine Reihe aus
drei Sternen, mit dem hellsten davon in der Mitte - er wird als wesentliche Anregungsquelle für die große HII-Region
genannt. Der Nebel selber trat mit dem UHC-Filter unterschiedlich stark im Kontrast zu seiner Umgebung hervor: Am
deutlichsten erschien mir die dem Granatstern zuneigte Kante im Norden. Gut war auch der relative Sternreichtum im
Inneren, sowie der deutliche Kontrast zu den Dunkelnebeln drumherum, besonders im Süden zu B160, zu erkennen.

0:36 MEZ: Kleiner- und Großer Wagen

0:51 MEZ: Orion und Großer Hund unterwegs zum Meridian

Rund um den Kopf des Pegasus

M15 ist immer ein lohnendes Objekt, ein heller und ziemlich kompakter Kugelhaufen. Bei 100x und 160x lösten sich
zunehmend Einzelsterne in Form feinster "Puderzucker-Wolken" heraus - wunderbar. Und etwas östlich liegt noch ein
relativ lichtschwacher Planetarischer Nebel, der 13,3 mag helle NGC 7094 - auch bereits Monatsthema im Astrotreff.
Blickweise tauchte mit indirektem Sehen - bereits ganz ohne Nebelfilter - bei 45x ein kleines Nebelchen auf, und bei
höherer Vergrößerung auch der Zentralstern. Der OIII-Filter hat hier bei der Erkennbarkeit geholfen, und bei einem
weiteren Artgenossen im nahen Delphin hab ich ihn definitiv gebraucht: Dann war der Planetarische Nebel Abell 72
aber eindeutig indirekt zu erkennen: Die rundliche Aufhellung "klebte" fast direkt an einem 8 mag hellen Stern.

Und sonst noch ...

Ich habe auch zwei lichtschwache "Superthin"-Galaxien angepeilt: Etwas östlich von M33 liegt UGC 1281, hier konnte
ich mit indirektem Sehen blickweise einen ganz schmalen Lichtstreifen ausmachen; hauchzart, aber eindeutig - und der
Vergleich mit der WikiSky-Aufnahme hat die richtige Orientierung bestätigt. Und etwas links von Gamma Pegasi - der
Stern links unten im Pegasus-Viereck - steht NGC 100: Auch eine superschmale Galaxie, von der ich allerdings nichts
erkannt habe. Von ihren Daten her (Helligkeit, Flächenhelligkeit, Form/Ausdehnung) sollten die beiden Objekte ähnlich
schwierig sein, allerdings stand UGC 1281 bei mir fast im Zenit, während NGC 100 deutlich tiefer und bei mir schon
etwas über den Meridian hinaus positioniert war. Wer weiß, was bei einem hochalpinen Himmel wie oben im Kaunertal
oder am Glockner gegangen wäre.

Die Durchsicht war aber richtig gut, und so haben sich auch die Highlights recht eindrucksvoll präsentiert: Mit OIII-Filter
die Bögen des Cirrusnebels und das "Ohrwaschl" vom Crescentnebel NGC 6888, und mit UHC-Filter der Nordamerika-
nebel NGC 7000. Und toll die Galaxien: Markant der Kontrast zu den Staubbändern am Rand des Andromedanebels, die
Spirale von M33 und der zentrale Teil des Staubbandes von NGC 891 - nebenan hab ich noch ein paar Fleckchen der viel
weiter entfernten Galaxien um NGC 910 mitgenommen; angedeutet die Spiralarme von M81, und einige Staubstrukturen
in M82. Und wie immer großartig der Orionnebel M42, ich konnte auch etwas Farbkontrast zwischen grünlich-metallisch
("verbotene" Sauerstoff-Linien) und leicht rostrot (H-Alpha, die große Helligkeit bringt die Zäpfchen des Auges wieder
etwas ins Spiel) erkennen.

Ja, den stärker werdenden Wind hab ich allmählich schon deutlich gespürt, und daher hab ich - trotz weiter klarer Nacht -
nicht zu lange durchgemacht. Gegen halb zwei war Schluss, nach fast acht Stunden Spechteln, Fotos machen und Pausen.
Gegen 2:00 dann im Auto in den Schlafsack. Auch wenn es auf dem umgeklappten Beifahrersitz nicht gerade bequem ist,
es kamen doch fast vier Stunden Schlaf zustande - ganz ausreichend für mich für eine sichere Heimfahrt.

Morgens hab ich den Orion aus dem Auto heraus noch in der Dämmerung gesehen, kurz vor seinem Untergang im Westen.
Die Heimfahrt ins Morgenrot hinein war anschließend sehr stimmungsvoll ...

Abfahrt vom Auerberg in das Morgenrot

... und an Schongau vorbei bin ich diesmal gleich nach Norden zur Landsberger Autobahn gefahren. Irgendwo hinter dem
Ammersee ging vorne rechts schließlich auch die Sonne auf - inmitten des morgendlichen Berufsverkehrs in die Stadt
hinein. Schee wars !


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