Ein Morgen mit Komet - nahe Kreuzstraße

Nacht Donnerstag, den 9. Juli, auf Freitag, den 10. Juli 2020

Mit Markus und Ralph.

Wir haben in den Tagen vorher schon die Berichte mit den vielen tollen Bildern verfolgt. Der Komet Neowise
hatte sich richtig gemacht, ist deutlich heller geworden als ursprünglich prognostiziert, mit angegebenen Werten
um die 1,5 mag herum. Zeit also, sich das Teil selber einmal anzuschauen: Von uns aus war der Komet jetzt am
Morgenhimmel zu sehen, tief am Nordhorizont im Ostteil des Sternbildes Fuhrmann. Außerdem gab es gerade
wieder "leuchtende Nachtwolken" zu bestaunen, und diese hatten in den letzten Tagen die Sicht auf den Kometen
mitunter sogar deutlich erschwert - wenngleich der Mix aus beidem auch seinen Reiz hat.

Ralph hatte Neowise bereits nah von daheim geschaut, ich noch nicht. Wir peilten die Nacht Donnerstag/Freitag
an, die Wetterprognose war seit Tagen gut, und wir hatten beide den Freitag von Verpflichtungen frei gehalten.
Die Überlegung war, nicht zu weit zu fahren, aber doch ein wenig von München wegzukommen - und die Stadt
nicht direkt im Norden zu haben. Wobei der Himmel natürlich eh recht aufgehellt sein würde, zumal der
abnehmende Halbmond noch kräftig im Spiel war.

Wie so oft fuhr ich mit Schlafsack und Proviant mit der S-Bahn zu Ralph. Dann in seinem Auto noch im Hellen
ins Zielgebiet: Er hatte sich eine Gegend nicht weit vom südöstlichen S-Bahn Endpunkt Kreuzstrasse ausgeguckt,
die freien Horizont nach Norden bot. Eine erste Option nahe am Wald haben wir wegen der vielen Mücken rasch
verworfen, fanden alsbald aber ein nettes Plätzchen - mit einmündendem Feldweg, Baum und gemähter Wiese.
Ralph hatte sein 4-Zoll Bino dabei, und zusätzlich einen 6-Zöller; hinzu kamen noch unsere Feldstecher.
Viel mehr als Fernrohre justieren haben wir dann nicht mehr gemacht, es galt noch bisserl Schlaf zu ergattern:

Bei mir kamen wohl gut drei Stunden zustande, schön gemütlich in milder Nacht im Schlafsack auf der weichen
Matte. Ralph hat mich gegen 2:00 geweckt, und schon bald darauf hielt ein Auto bei uns an. Es war Markus, den
Ralph genau über unseren Standort informiert hatte.

Tief im Norden fiel der helle Fuhrmann-Hauptstern Kapella sofort ins Auge. Er steht so nördlich, dass er auch in
Südbayern gar nicht mehr untergeht. Und nicht weit links war auch der 2 mag helle Menkalinan gut zu erkennen.
Der Komet stand in der Verlängerung der Verbindung Kapella - Menkalinan, etwas unterhalb. Ralph hat den
steil nach oben ragenden Schweif zuerst im Feldstecher gesehen, und bald darauf konnte ich ihn auch indirekt mit
bloßen Augen ausmachen. Die nächsten rund anderthalb Stunden, bis etwa vier Uhr, war der Komet gut mit bloßen
Augen zu sehen, und krabbelte im Nord-Nordosten allmählich etwas höher. Ein zunehmend spektakulärer Anblick !

Der Komet Neowise ...

Bild: Ralph Muth


... über den leuchtenden Nachtwolken

Bild: Markus Nobis


Der Kern erschien schon freisichtig als heller Punkt, und im 6-Zöller zeigte die zentrale Region von Anfang an eine
deutlich orange Färbung. Wenn wir das auch nicht systematisch geprüft hatten, so haben Ralph und ich im Nachgang
den Schweif mit bloßen Augen bei etwa 2-3 Grad, und im Feldstecher bei 3-4 Grad Länge verortet. Mit 6" erschien
der Schweif in Kernnähe deutlich U-förmig gefächert, und insgesamt gut kollimiert; gerade an der Ostseite fiel mir
der sehr gut definierte, ausgeprägt scharfe Rand ins Auge.

Mit fortschreitender Dämmerung, als die Landschaft drumherum an Farbe gewann, zeigte auch Neowise im Fernrohr
einen noch deutlicheren Farbkontrast zum Hintergrund: Der Himmel erschien bläulicher, und der ganze Komet noch
oranger. Mit der zunehmenden Aufhellung kommen die Zapfen der Netzhaut, und mit ihnen das Farbsehen wieder
stärker ins Spiel; zudem sind blau und orange Komplementärfarben, das Gehirn hilft da schon noch nach.

Wir waren ganz froh, dass anfangs keine leuchtenden Nachtwolken (Abk. NLC von engl. "noctilucent clouds") zu
sehen waren, und wir so den Kometen ungetrübt beobachten konnten. Andererseits fanden wir es aber toll, dass sie
später doch noch auftauchten - praktischerweise nur unterhalb des Kometen, und damit perfekt im optischen
Nebeneinander.

Komet, Kapella, Plejaden und Venus bilden ein Viereck

v.l. Markus, Ben und Ralph (Bild: Ralph Muth)


Wie man sich einen Kometen vorstellt ...

Bild: Ralph Muth


Markus und Ralph haben sehr schöne Bilder gemacht. Ralph schreibt: "Interessant, dass der Gasschweif nachweisbar
ist, den hatte ich vorher schon auf Aufnahmen gesehen, die mich auf die Idee brachten es selbst zu versuchen. Visuell
ging das nicht, obwohl ich am 100mm Bino Blaufilter eingesetzt hatte. Was es in der Nacht alles zu sehen gab, Venus,
Mars, Mond, Jupiter, Saturn, Plejaden, NLCs und ein Komet, alles von unserem guten, alten Sonnensystem.

Und auch etwas von weiter draußen, nämlich die roten Überriesen in h+chi, wobei der Farbfehler des Objektivs hier
mitgeholfen hat deren rote Farbe durch einen Farbsaum zu betonen:"

Doppelhaufen h & Chi Persei mit roten Überriesen (Bild: Ralph Muth)


Das war ein tolles Erlebnis in netter, gut gelaunter Runde ! Wie meinte Stathis zu Neowise: "Nach der langen Kometen
Durststrecke ist das mal ein Brummer!" So ist es. Der Komet McNaught war mir damals im Winter 2006/07 bei seiner
Dämmerungssichtbarkeit ausgekommen, daher ist Neowise für mich der schönste Komet seit den Zeiten von Hyakutake
(1996) und Hale-Bopp (1997). Die beiden bleiben freilich unerreicht, waren nochmal spürbar heller, und standen auch
viel höher. Legendär der Abend des 23. März 1996 in einer sehr guten Taubenberg-Nacht: Der riesenlange Schweif von
Hyakutake, ein Tag vor dem Maximum, vom nördlichen Bootes bis in den Süden des Sternbildes Haar der Berenike -
knallhell mit bloßen Augen, sowas von Abschnallinger !

Kurz vor fünf hat mich Ralph wieder an der S-Bahn abgesetzt, und daheim hab ich mich nochmal aufs Bett gehauen.
Ich kann das Schlusswort von Ralph nur bestätigen: "Das war sehr schön mit euch unter den Sternen dem Kometen
seine Huldigung zu erweisen..."

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