Eine Nacht bei Geigersau

Nacht Mittwoch, den 22. April, auf Donnerstag, den 23. April 2020


Ich hatte den "Fünfling", mein 9,5-Zoll Dobson Leichtbau-Fernrohr, schon eine ganze Weile nicht mehr zum
Beobachten ausgeführt. Und war seit Einführung der Corona-bedingten Einschränkungen auch nicht mehr weit
über den Münchner S-Bahn Bereich hinaus gekommen, habe gelegentlich mal durch Feldstecher oder Spektiv
geblickt. Den Mond habe ich dafür wieder etwas genauer kennen gelernt, hatte ich ihn mir bei der letzten
zunehmenden Phase doch fast täglich im Spektiv angeschaut - immer gleich um die Ecke im nächsten Park.
Was aber nichts daran geändert hat, dass ich den Spechtelentzug immer deutlicher spürte. Diesen Neumond
im April - beste Galaxienzeit - sollte es unbedingt wieder ins "Feld" gehen, wie manche Beobachterkollegen
zu sagen pflegen, und dann auch an einen guten Standort.

Dann war es soweit: Ein absolut wolkenloser Himmel, als ich nachmittags über Starnberg nach Süden fuhr.
Und wo es auf der Bundesstraße 2 vor Weilheim über 150 Höhenmeter hinunter ins Ammertal geht, hat man
einen weiten Blick ins Vorland und auf die Berge - Vorfreude pur ! Bis zum Abend war es noch einige Stunden
hin, und so hab ich mir die Zeit noch in der Ammerschlucht vertrieben: Sehr wenig Wasser, es braucht wirklich
dringend Regen - gut, für diese Nacht muss es noch nicht sein ;-). Diesmal habe ich einen neuen Spechtelplatz
ausprobiert, den ich schon vom Wandern kannte: Ein richtiger Aussichtsbalkon mit tollem Alpenblick, nicht weit
von den klassischen Geigersau-Plätzen weg, und nachts sogar noch abgelegener.

Oben kam ich noch sehr nett mit zwei Einheimischen ins Gespräch, die auf einer Parkbank entspannt hatten. Sie
waren gleich im Bilde, als ich ihnen von meinen Absichten erzählte. Sie meinte, dass sie ihrem Mann immer das
"Himmelsjahr" schenke, und er wusste über die aktuellen Positionen der Planeten gut Bescheid. Wenn die Corona-
Geschichte nicht wäre, hätte ich die beiden noch eingeladen, heut mal zum Durchschauen vorbei zu kommen.

Der 9,5-Zoll Fünfling in der Dämmerung

Links die Zugspitze, weiter re. Ammergauer Alpen, re. hinten Tannheimer Berge


21:28 MESZ: Die Venus im untergehenden Wintersechseck -

das Sechseck (plus Plejaden) ist abends gerade noch komplett zu erkennen


Die Nacht war relativ mild, und durchgehend trocken. Die Wetterseiten hatten schon im Vorfeld angekündigt, dass der
teils starke Wind der letzten Tage deutlich nachlassen würde: Deshalb hatte ich mich gleich oben hingestellt, andernfalls
hätte ich die geschütztere Senke gut 100 Meter tiefer als Standplatz gewählt. Der Wind hat dann auch kaum gestört, erst
in der zweiten Nachthälfte frischte er bisweilen etwas auf. Tolle Durchsicht: Mit dem Himmel war ich sehr zufrieden, wenn
auch Geigersau im Vergleich zu guten alpinen Standorten natürlich einen merklich aufgehellteren Himmel hat. Das Seeing
machte sich bei 160-facher Vergrößerung noch wenig bemerkbar, bei 225-fach war es allerdings deutlicher spürbar.

Immer wieder waren Tiere zu hören, von denen ich etliche nicht zuordnen konnte. Ganz vertraut war mir der Waldkauz, der
sich aber nur sporadisch ins Konzert einklinkte. Ich meine auch, bellende Rehe und Katzenlaute vernommen zu haben.

Eine helle Schnuppe

Irgendwann am Abend habe ich im Augenwinkel das auffällige Leuchten einer Sternschnuppe bemerkt, und am Himmel
konnte ich anschließend eine ziemlich helle, gut begrenzte Nachleuchtspur erkennen - gleich links von einem hellen Stern.
Ich habe zwar gleich Position und Zeit notiert, bei Rotlicht vielleicht auf einer gerade griffbereiten Tankquittung im Auto.
Leider konnte ich den Zettel tags darauf nicht mehr finden. Ich meine es war kurz vor einer vollen Stunde; vielleicht wars
ja 21:50 oder 22:50 links neben Spica - oder doch ein anderer Stern ? Ich habs vergessen, mei ...

Unterwegs in Löwe und Sextant

Neulich hatte Gerd im Astrotreff-Forum über seine Beobachtung der 9 mag hellen Galaxie NGC 3521 berichtet, und
in dem Thread wurden noch weitere Galaxien der Umgebung ins Spiel gebracht, eine davon besonders länglich. Das
wollte ich auch sehen, und gleich als erstes: Zumal die Gegend relativ südlich liegt, und bei Dunkelwerden bereits im
Meridian stand. Bei NGC 3521 hatte ich den Eindruck, dass der Kern westlich versetzt liegt, und die Westseite besser
definiert ist: Ein Hinweis auf das Staubband. Über die schmale "edge-on" Galaxie NGC 3495 - nah beim Stern 58 Leo -
habe ich mich vorbei an der recht auffälligen Sternkette von "Lor 23" zu Rene's "Superthin" NGC 3395 hingehangelt:
Subtil, indirekt ein zarter Hauch eines dünnen Striches; sie ist übrigens in meinem Sternatlas nicht eingezeichnet, daher
hatte ich die Position vorab händisch markiert. Zum Vergleich habe ich die gleichfalls superdünne NGC 3044 weiter im
Westen eingestellt: Die ist etwas deutlicher zu erkennen, und liegt sehr nett von einem flachen Dreieck aus drei fast
gleichgerichteten Sternpaaren eingerahmt. Kurzer Exkurs: Später habe ich noch die Galaxie NGC 5023 oben in den
Jagdhunden aufgelesen; die ist noch einfacher als NGC 3044 und ein richtig schönes Exemplar der Gattung Superthin.

M61 und Supernova in NGC 4277

Auf dem Weg zur Supernova bin ich an der schönen Galaxie M61 vorbei gekommen. Im Fünfling konnte ich ausmachen,
dass sie einen eher eckigen Umriss hat, anders als die meisten anderen Spiralgalaxien. Zudem war auch die Richtung des
zentralen Balkens zu erkennen, und ansatzweise auch der kurze helle Arm, der im Norden wegknickt. Von Fernrohren im
Bereich von 16- und 20 Zoll Öffnung habe ich die eckige Spiralstruktur sehr schön in Erinnerung.

Über den schönen Farbkontrast-Doppelstern 17 Vir habe ich mich zu der nahen Galaxiengruppe um NGC 4281 und NGC
4273 hingehangelt, die fallen mit Helligkeiten ab 11,3 mag im Fünfling ins Auge. Die Supernova lag in der nur 13,4 mag
hellen Galaxie NGC 4277 - hier eine Aufnahme von G. Locatelli mit Vergleichshelligkeit. Sie war etwa 14 mag hell, und
ich konnte sie indirekt sehr gut erkennen; den abgebildeten Vergleichstern habe ich auch identifiziert, für eine Vergleichs-
Abschätzung war mir die Supernova aber zu schwach.

Die Wega im Nordosten, re. die Schlange


0:31 MESZ: Fuhrmann und Kassiopeia tief im Norden


Große "Galaxienschneise": Von Süden bis zum Coma-Sternhaufen ...

Das war es auch schon wieder mit den schwachen Fuzzies für heute ;-) Die große "Galaxienschneise" Jungfrau/Löwe -
Haar der Berenike - Jagdhunde - Großer Wagen stand in bester Position nahe des Meridians - so schee scho :) Ich freute
mich darauf, mit dem Fünfling mal wieder ihre Highlights durchzugehen: Vor allem solche Galaxien, die in meinem alten
10-Zöller bei gutem Himmel gewisse Details gezeigt haben, wie Knoten, Spiralarme oder Staubstrukturen - pures Genuss-
Spechteln, wie Hans-Georg sagen würde. Im Wesentlichen bin ich von Süden nach Norden hoch, weil die südlichen
Objekte ja tiefer stehen und schneller in schlechtere horizontnahe Bereiche kommen.

Zuallererst aber "Leo's Triplett": Bei M66 konnte ich mit indirektem Sehen den großen Spiralarm im Südwesten ausmachen,
und sie formt mit M65 und NGC 3628 das schöne Galaxiendreieck; das Staubband in NGC 3628 war höchstens erahnbar,
aber da ergänzt das Gehirn im Wissen um die Details auch gern mal was dazu.

Wunderbar dann der Sombreronebel M104: Über Starhopping angenähert, und über die Sternfigur "Stargate" (links
auf der verlinkten Zeichnung von Christian zu sehen) und den Zeiger "Jaws" (rechts, Timm sagt "gespiegeltes L" dazu) -
direkt hingeführt. Die Details mit Staubband fand ich bei 160-fach (6,7er ES) am schönsten.

In den Virgohaufen bin ich über 6 Comae eingestiegen: Im Umfeld liegen die hellen Galaxien M98, M99 und M100.
Bei M99 konnte ich den großen Spiralarm im Südwesten indirekt blickweise erkennen. Und gleich nebenan das Paar
NGC 4298/4302: Eine dicke und eine sehr dünne Galaxie im direkten Kontrast zueinander, gut zu sehen, tolles Objekt.
Von hier ging es ins Zentrum: Die runden Ellipsen M84 und M86, umgeben von den schmalen "Strichen" NGC 4388
und NGC 4402, und den "Augen" NGC 4435/38 - alles in einem Gesichtsfeld, für mich einer der besten Eindrücke im
10-Zöller überhaupt, wenn der Himmel für die beiden edge-on's dunkel genug ist. Dann die gewundene Markarian-
Galaxienkette hinüber zu M88, und über M89 und M90 zu M87, M59 und M60 - die letzten drei alles Riesenellipsen.
Bei M58 habe ich noch die "Siamese-Twins" NGC 4567/68 mitgenommen, das Paar ist als markantes "V" sehr schön
erkennbar; die aktuelle 15,3 mag helle Supernova hab ich gar nicht erst probiert, das hätt den Fünfling gwies überfordert.

Der Weg nach Norden - unterwegs hab ich noch den schönen Farbkontrast-Doppelstern 24 Comae mitgenommen - führte
mich zu einem weiteren "Pflichtobjekt": Die "Black-Eye" Galaxie M64 offenbarte deutlich ihr namensgebendes Detail, die
etwa erdnussförmige dunkle Staubstruktur nahe des Zentrums - wobei Vergrößerung schon gut tut: Bei 97-fach erscheint
die dunkle "Erdnuss" noch ziemlich klein, bei 160-fach ist sie leichter zu erkennen - Marcus hat im Astrotreff eine
schöne Zeichnung gepostet.

2:46 MESZ: Sommerdreieck und Schildwolke klettern höher


... und weiter bis zum Großen Wagen

Und gleich östlich des Coma-Sternhaufens Melotte 111 steht für mich eine der schönsten Galaxien überhaupt: NGC 4565
zeigte sich im Fünfling als "Superthin" mit markantem Staubband, ganz toll bei ganz verschiedenen Vergrößerungen: Bei
45-fach (24er Panoptik) die konzentrierte dünne Nadel, bei 97-fach (11er Nagler) für mich am besten, und bei 160-fach
(6,7er ES) fast bildfüllend mit dicken Staubstrukturen - fantastisch !

Weiter ging es über "Fisch" und "Haken": NGC 4631 ist eine schöne große edge-on Galaxie, der Umriss eines Herings
trat über ihre dickere Osthälfte deutlich hervor. Gut zu sehen auch ein heller Knoten, und von dem aus über den 12 mag-
Vordergrundstern hinaus verlängert war im Norden die kleine Begleitgalaxie NGC 4627 klar zu erkennen - Uwe hat mit
16-Zoll eine Menge an Details herausgekitzelt. Und auch der "Haken" NGC 4657/57 machte visuell seiner Bezeichnung
alle Ehre - ein tolles Paar.

In den Jagdhunden habe ich noch eine ganze Reihe weiterer lohnender Galaxien eingesammelt: Die sehr schmale edge-on
NGC 4244, das schöne Paar NGC 4485/90 sowie NGC 4449: Dieses kastenförmige Teil zeigte Knoten im Zentrum, und
im Norden eine "Ausfransung", hier befinden sich gewaltige HII-Regionen. Und M106 ließ bereits die beiden Spiralarme
erahnen, durch jeweils deutlicher definierte Außenkanten; und vielleicht auch den dazu schiefliegenden zentralen Balken -
wobei meine gute Kenntnis des Objekts den Eindruck in der Vorstellung auch schnell mal verstärken könnte; ansatzweise
dürfte aber was "da" gewesen sein.

Der planetarische Nebel M97 ("Eulennebel") ließ - relativ deutlich sogar - zwei dunklere Gebiete erkennen, die beiden
"Augen" der Eule. Ihre Verbindung weist in etwa in Richtung der nahen Galaxie M108: Auch hier zeigte der Fünfling
knotige Details, einen Vordergrundstern und deutliche Helligkeitsunterschiede.

In der Umgebung der Wagendeichsel hab ich noch zwei der großen Highlights mitgenommen: Die "Whirlpool-Galaxie"
M51 zeigte deutlich Spiralstruktur - wunderschön -, und M101 die drei NGC-Knoten 5447, 5461 und 5462; außerdem
konnte ich gut ihren typischen Umriss wahrnehmen: Der wies bereits deutlich auf die Drehrichtung der Spiralarme hin.

Und drei klassische Kugelhaufen

Zudem habe ich noch die drei bekannten Kugelhaufen M3, M5 und M13 eingestellt. Die Öffnung von 9,5-Zoll ist groß
genug, dass auch schon M3 in viele feinste "Puderzucker"-Sternchen aufgelöst erscheint. M5 und M13 sind mit jeweils
5,7 mag Helligkeit noch auffälliger, und mit ihren helleren Einzelsternen auch noch besser auflösbar. Beide machten
im Fünfling einen sehr ästhetischen Eindruck, viele Sterne über ein größeres Feld gesprenkelt. Sie spielen für mich in
der gleichen Liga, wobei ich M13 als nochmal bissl eindrucksvoller sehe: Allein wegen der Größe und den "Krakenarmen".

Gegen 3:00 habe ich dann Schluss gemacht, und konnte ungefähr dreieinhalb Stunden auf dem umgeklappten Beifahrersitz
schlafen - für mich genug für eine sichere Heimfahrt ohne die Gefahr des Sekundenschlafes. Eine sehr schöne Nacht :)

2:49 MESZ: Milchstraßenzentrum und Skorpion über Bad Kohlgrub


Fallender Löwe im Westen


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