Zwei Nächte im Allgäu und Kaunertal

Vorgeschichte

Ich hatte den Donnerstag und Freitag frei, und diese Tage lagen erst kurz nach Neumond; so war der Mond
noch eine schmale Sichel, die kaum stören und bald untergehen würde. Einige Tage vorher sah die Prognose
für die österreichischen Hochalpen sehr gut aus, besonders für den Westen. So habe ich mich entschieden,
mal ins Kaunertal zum Beobachten zu fahren - da war ich noch nie, und wollte da immer schon mal hin.
Wie weit oben ich dann spechteln würde, ob direkt am Gletscher oder etwas weiter unten, würde von der
Beleuchtungssituation vor Ort abhängen. Wieder mit dabei: Mein 9,5-Zoll-Fünfling.

Am Mittwoch sah es für die erste Nacht schon etwas unsicherer aus. Ich hab Haley informiert, weil er auch
immer für einen Spechteltrip in die Hochalpen zu haben ist; zumal nach Westtirol, was von ihm aus nicht
allzu weit entfernt liegt. Als ich erwähnte, dass die erste Nacht auf Freitag im Kaunertal zu Anfang noch
gewittrig sein könnte, und ich mich noch gar nicht genau entschieden hätte, lud er mich spontan ein: Für
einen Grillabend am Donnerstag abend, mit anschließender Beobachtung am 16-Zoll Hodor. Ja, da hab
ich zugesagt: Ich würde dann für die zweite Nacht vom Allgäu aus zum Gletscher fahren; Haley war in
der schon anderweitig verabredet, sonst wäre er mitgekommen.


1. Ein Beobachtungsabend im Allgäu

Abends am Donnerstag, den 4. Juli, bis 1:00 nachts


Haley schreibt dazu: "Recht kurzfristig ist Ben heute zum Spechteln gekommen. Er wollte zuerst auf den
Kaunertal Gletscher, aber dort könnte es gewittrig sein. Die Alternative, bei uns zu Spechteln und zu Grillen
nimmt er gerne an. Als Ben dann bei uns war, haben wir noch eine abendliche Katzenrunde mit dem Angelo
gemacht und dann den Reaktor aktiviert."

Haley wirft den Grill an


Gabi und Haley


Das war ein echt griabiger Grillabend, in sehr entspannter kleiner Runde. Haley meint:
"In der Dämmerung waren unsere Wänste endlich ordentlich gefüllt und Hodor konnte nun
aufgebaut werden. Ben hat auch seinen 5ling mitgebracht, der lauert schon mal in der
Werkstatt."


0:00 MESZ: Haley an seinem 16-Zoll "Hodor"

Haley fährt fort:

"Angegeilt haben wir mit dem M3, er steht stabil im 13er Ethos,
kommt schon gut, auch vom Seeing her. Danach gibt’s den M5,
der ist noch ein Quentchen knalliger, gleich dazu noch der M13,
der ist dann noch ein bisserl bombastischer, da wird auch das 6er
aktiviert, da mutiert der Haufen zu einem todesfeisten Glitzerball
und 6207 liefert ein hübsches Display, schon leicht strukturiert.
Ben stellt dann M57 ein, gleich im 6er und ziemlich fulminant. Ben
probiert ein bisserl, den Zentralstern zu sehen, hat aber kein rechtes
Glück. Ich habe heute nicht genug Geduld und Konzentration dafür
und probiere das gar nicht erst und IC 1296 muß jetzt auch nicht sein.
Da erfreue ich mich lieber an dem geilen Anblick, der ist ja auch rich-
tig kraß. Um doch noch ein Eierchen abzugreifen, ziehen wir uns noch
6700 rein, die Klappstuhlgalaxis. Die zeichnet durchaus derb, schöner
Kontrast und länglich. M56 noch, der ist fast schon in der Puderzucker
Kategorie, immer wieder hübsch häßlich.

Wir gehen dann zum Ratschen noch eine Weile rein, es ist zwar
schön sommerlich, aber doch leicht frisch, so in Shorts. Da Ben
morgen endlich das Kaunertal klarmachen will, geht er dann auch
schon früh ins Bett und ich mache noch meinen Schreibkram, bevor
es dann wieder weitergeht."

Ich bin etwa gegen 1:00 schlafen gegangen, während Haley noch bis
4:00 gespechtelt hat.

23:21 MESZ: Abendhimmel mit Jupiter



2. Eine Supernacht am Weisssee (2465 m) im Kaunertal

Nacht von Freitag, den 5. Juli, auf Samstag, den 6. Juli 2019


Unterwegs zum Kaunertaler Gletscher

Gegen 10:00 habe ich mich von Gabi und Haley verabschiedet, um ins Kaunertal zu fahren. Bei Reutte gab
es abschnittsweise Blockabfertigung, und über den Fernpass - mit teils zähem Verkehr - erreichte ich bei Imst
das Inntal. Der Inn war ziemlich voll, aufgrund verstärkter Gletscher- und Restschneeschmelze wegen der hohen
Temperaturen. Es ging es über Landeck hinaus flussaufwärts, bis zum Eingang des Kaunertals auf 860 Metern
Höhe. Dieses Seitental ging es dann rund 1900 Höhenmeter hinauf, am Stausee vorbei bis zum Gletscher.

Am Gepatsch-Stausee (1770 m), rechts hinten die Weissseespitze (3518 m)


Nach Querung der Fagge - des großen Gletscherbaches - ging es die letzten fast 1000 Höhenmeter hinauf.
Unterwegs hielt ich schon mal Ausschau nach alternativen Standorten, da kamen die Ochsenalm auf 2150
Meter, und der höher gelegene Weisssee in Frage.

Der Endpunkt der Kaunertaler Gletscherstrasse liegt 2750 Meter hoch, direkt unter der Weissseespitze. Hier ist
ein sehr geräumiger Parkplatz, mit derzeit viel Platz, da kein Skibetrieb mehr läuft. Ich hatte es so eingerichtet,
dass ich noch bequem das "Gletscher-Restaurant" für eine Stärkung erreichen würde bevor es schließt. Man sagte
mir, dass hier nachts nichts los sein würde, und so wollte ich erstmal oben bleiben: Mit der Absicht, inmitten all
der Technik unter Hochgebirgshimmel zu spechteln - was es an Beleuchtungen geben würde, blieb abzuwarten.
Es wehte ein spürbarer Wind aus grob Nordwest, so habe ich mir ein möglichst geschütztes Plätzchen im
Windschatten einer kleinen Geschäftszeile ausgeguckt.

Ich war oben schon bereit: Der 9,5"-Fünfling mit der Weissseespitze, ...


... und auch das Porträtfoto war gemacht ;-)


Später kam noch ein junges Paar, um hier oben zu schlafen: Er war Bergsteiger, und wollte seiner Freundin eine
Route über die Gletscher der Weissseespitze zeigen. Ich erzählte ihnen von meinem Vorhaben, und sie waren
neugierig darauf, nachts mal durch mein Fernrohr zu schauen.

Am Gletscher war doch zuviel Licht - runter zum Weisssee

Mit zunehmender Dämmerung wurde allerdings deutlich, dass zumindest in zwei der Gebäude Licht brannte, was
durch die vorhanglosen Fensterscheiben sichtbar wurde. Dem konnte ich durch Umstellen des Fernrohres vielleicht
noch ausweichen, zumal der Wind jetzt deutlich nachließ. Es zeigte sich aber bald, dass das Firmenschild des
Krans auch hell beleuchtet war. Das war mir dann zuviel, dafür war ich nicht soweit gefahren - mei, schade für
meine Nachbarn.

So bin ich in der Dämmerung wieder 300 Höhenmeter runter, um am Weisssee auf 2465 Meter Station zu machen.
Ganz allein war ich nicht, direkt am See stand noch ein anderes Auto; das waren zwei junge Burschen, die da über-
nachteten. Einer erzählte mir, dass sie am nächsten Tag mit Skiern vom angrenzenden Schneefeld aus direkt auf
den See fahren wollten; dazu hatten sie auch Neoprenklamotten dabei. Morgens habe ich sie in einem Schlauchboot
paddeln sehen; wie der eigentliche Event dann genau ausgesehen hat, weiß ich nicht, da war ich schon weg - sie
rechneten jedenfalls damit "nass zu werden" ;-) Die beiden haben anfangs viel mit Weißlicht hantiert. Nachdem
ich ihnen aber ganz freundlich erklärt hatte, wie wichtig die Dunkelheit für einen Sterngucker ist, waren sie sehr
kooperativ, und haben das Licht bald ganz ausgemacht - meinen Dank, perfekt :)

Der Himmel ist ausgezeichnet !

Der Himmel entwickelte sich nämlich ganz ausgezeichnet: Die Durchsicht war großartig, wirklich hochalpin; die
Milchstraße zeigte sich ausgesprochen hell, mindestens so gut wie bei den tollen Nächten auf der Bielerhöhe 2012.
Das Seeing war auch gut, Jupiter - mit GRF - und Saturn zeigten sich schön detailreich; ich habe auch problemlos
320-fach vergrößern können. Es war auch sehr trocken, Meteoblue hatte für das Kaunertal bereits bei 1500 Meter
Höhe eine Luftfeuchtigkeit von etwa 35 % vorhergesagt, hier oben dürften die Werte noch besser gewesen sein.
Nur tief im Norden, zum Inntal hin, gab es einige Wolken, und der Himmel war dort spürbar aufgehellter; das hat
insgesamt aber nicht viel gestört.

23:23 MESZ: Die Milchstraße richtet sich ...

Von M5 aus gehts auf Galaxienjagd

Für diesen hochalpinen Standort hatte ich mir zwei schwächere Objekte vorgenommen, die Thema im Astrotreff
gewesen waren, und beide in der weiteren Umgebung von dem Kugelhaufen M5 liegen. IC 1101 ist eine Galaxie,
die bereits mit 11-Zoll ausgemacht werden konnte, und immerhin fast 14 mag hell sein sollte - andererseits wurde
sie sogar im 18-Zöller als schwierig beschrieben. Ich habe mir die Stelle mit 160x genauer angesehen, und meinte
blickweise etwas erkennen zu können, was mit indirektem Sehen auch mal flächig aussah; allerdings liegen direkt
daneben auch zwei schwache Sternchen - Fazit: vielleicht die Galaxie selbst ausgemacht, bin aber nicht sicher.

Dann bin ich zu der Galaxiengruppe um NGC 5746 gewechselt. Spürbar heller als neulich am Auerberg, mit langen
Ausläufern auf beiden Seiten. Bei 160-facher Vergrößerung fiel die zentrale Verdickung sofort ins Auge, und auch
wenn ich das Staubband nicht direkt als solches erkennen konnte: Die dem Stern 109 Virginis zugeneigte Ostkante
der Galaxie war schärfer begrenzt, gerade auch im Kernbereich - ein Hinweis auf das Staubband. Und dieses Mal
war nicht nur NGC 5740, sondern auch NGC 5738 (13,8 mag) klar zu erkennen: Zuerst indirekt, und dann auch
relativ problemlos direkt.

Von M13 aus gehts zu zwei entfernten Galaxienhaufen

M5 und M13 sind beide jeweils 5,7 mag hell, und sind damit die hellsten Kugelhaufen nördlich des Himmelsäquators.
Beide waren wieder sehr eindrucksvoll, im direkten Vergleich hat M13 - etwas größer und mit "Krakenarmen" - für
mich etwas die Nase vorn. M13 war mein Startpunkt für die Suche nach zwei etwa 400 Millionen Lichtjahre entfernten
Galaxienhaufen, einige Grad nordwestlich gelegen: Sofort fiel im Haufen Abell 2199 die 11,8 mag helle Riesenellipse
NGC 6166 ins Auge, während ich nach NGC 6158 (13,7 mag) - knapp nördlich zweier S-N gerichteter Sterne - schon
gezielt suchen musste. Der andere Haufen Abell 2197 enthält die zwei fast 12 mag hellen Hauptgalaxien NGC 6173 und
NGC 6146, die einfach zu erkennen sind. Schwächer ist dagegen NGC 6160 (13,2 mag), da liegen zwei Sternchen fast
an der Galaxie an - der nähere nur 20" nordöstlich vom Kern: Den konnte ich bei 225x vom Kern trennen, während er bei
kleiner Vergrößerung visuell mit der Galaxie verschmilzt, und die in dieser Richtung länger erscheinen lässt. NGC 6146
hat einen sehr hellen, konzentrierten Kern, und wird auch als Blazar geführt; knapp nordöstlich konnte ich indirekt noch
die 14 mag helle Galaxie NGC 6145 ausmachen.

1:00 MESZ: ... allmählich auf


- während Arktur nach Westen sinkt -


Ich hab auch noch einmal zum Herkules-Galaxienhaufen Abell 2151 herüber geschaut, den ich vom 16- und 20-Zöller
her recht gut kenne. Ich wollte mal probieren, ob ich bei diesen exzellenten Bedingungen mit dem 9,5-Zöller mehr
sehen würde als nur die zwei Eingangsgalaxien NGC 6041 und NGC 6042. Ich merkte aber, dass die beiden Objekte
gar nicht so besonders zeichneten, und so hab ich hier nichts weiter versucht - das Areal war im Westen schon ganz
schön am sinken, das dürfte ein Grund gewesen sein.

Unterwegs im Schwan

In der Umgebung des Sterns Rukh (Delta Cygni), Teil des "nördlichen Kreuzes" im Schwan, liegen drei mir recht gut
vertraute Sternhaufen - alle so um 7 mag Helligkeit herum. Die hatte ich im 5-Zöller schon genauer untersucht, und im
9,5"-Fünfling kamen die charakteristischen Details umso deutlicher heraus. Da ist einmal der "Hole in a cluster" Haufen
NGC 6811, bei dem die namensgebende Sternarmut in der Mitte sofort auffällt. Bei dem "Kite-Sternhaufen" NGC 6866
war das hellere Muster gleich erkennbar, das an den Windschirm der Kite-Surfer erinnert. Und der "Foxhead"-Haufen
NGC 6819 ist im Fünfling sehr lohnend, dicht gepackt mit einigen helleren und mit vielen Puderzucker-Sternchen.

Dann standen drei andere alte Bekannte auf der Speisekarte, drei klassische Nebel: Der Cirrusnebel (NGC 6960, 6992/95)
zeigte in beiden Teilen tolle Details mit dem OIII-Filter, sehr gut für die verwendete Öffnung. Desgleichen der Wolf-Rayet
Bubble des Crescentnebels NGC 6888: Während ganz ohne Filter der Bogen des hellen Nordostteils sofort ins Auge sprang,
war mit dem OIII-Filter die ganze "Epsilon"-Figur des Nebels gut erkennbar - sehr schön. Und der Nordamerikanebel
NGC 7000: Den bin ich mit dem UHC-Filter abgefahren, mit kontrastreichen Details entlang des "Golfes von Mexiko".

Schließlich noch zwei planetarische (Ring-) Nebel: Beim berühmten M57 hatte ich den Zentralstern mit 16" bei 300x schon
ein paarmal indirekt ausmachen können. So habe ich mir den Spaß gemacht, das jetzt bei diesem ausgezeichneten Himmel
schon im 9,5"-Fünfling zu probieren, bei 320-fach (6,7er Okular mit 2-fach Barlow). Das Bild war scharf, das Seeing sehr
ordentlich; wie erwartet hab ich den Zentralstern dann aber nicht geschafft - aber warum nicht mal probieren ;-)
Mein zweiter Ringnebel war dann der 12,3 mag helle NGC 6894, zu dem ich mich von 41 Cygni aus hingehangelt habe:
Bei 225-fach war das Loch schon ohne Filter auszumachen, und mit dem OIII-Filter wurde das sehr deutlich.

Gegen 3:15 habe ich dann Schluss gemacht, um rund dreieinhalb Stunden auf dem umgeklappten Beifahrersitz zu schlafen.

2:55 MESZ: ... um schließlich steil nach oben zu stehen

Wanderung und Rückfahrt

Am Vormittag habe ich meinen Nachbarn noch bisserl bei ihrer Vorbereitung zugeschaut, um dann zur Ochsenalm hinab zu
fahren, und am geräumigen Parkplatz Station zu machen - zwecks einer kleinen Wanderung in Richtung der Gletscherzunge
des Gepatschferners; das ist der neben der Pasterze größte Gletscher der Ostalpen. Schon auf der Straße sah ich vereinzelt
Murmeltiere herumlaufen, und auf dem Bergpfad schließlich wieder: Zweimal saßen welche ein paar Meter entfernt hinter
einer Wegbiegung, um dann schnell abzuhauen als sie mich sahen.

Bei der Heimfahrt spürte ich nahe der deutschen Grenze wieder die Müdigkeit, und habe mich noch einmal zwei Stunden
auf einen schattigen Parkplatz gestellt. Davon konnte ich über eine Stunde schlafen, was der Fahrt wirklich gut getan hat.
Einmal hörte ich ein paar Biker ganz in der Nähe halten, die sich dann angeregt unterhielten. Auf einmal meinte einer:
"Da pennt ja einer im Auto. Den stören wir nicht, kommt wir fahren woanders hin" - wirklich sehr nett :)


Noch ein paar Wasser-Impressionen

Die ganze Gegend im obersten Kaunertal ist sehr wasserreich - gerade im Juni und Juli, wenn Restschnee und Gletscher
in der Wärme so richtig schmilzen. Hier noch ein paar Eindrücke:

Am Weisssee: Nahe meines Beobachtungsplatzes ...


... und von schräg gegenüber


Vom Parkplatz an der Ochsenalm führt ein ...


... Wanderweg zu einer Stelle mit Blick über den Gepatsch-Stausee


An heißen Sommertagen ist die Fagge prall gefüllt - sie entwässert ...


... den Gepatschferner (hier die Gletscherzunge)


Alpenrose mit Rifflerbach; der entwässert das Gletscherskigebiet ...


... und stürzt in Wasserfällen zur Fagge hinab



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