Eine Nacht bei Geigersau

Nacht Freitag, den 29. März, auf Samstag, den 30. März 2019


Es war Freitag gegen 17:00 in Dießen. Ich hatte mir von einem Imbiß eine kleine Stärkung mitgenommen, und saß
nun direkt am Ammersee auf einer Parkbank. Die Möwen stritten lautstark um die Brotstücke, die ihnen Leute
zuwarfen; manche fingen sie in der Luft, und jagten sie sich bisweilen auch wieder ab - die Enten und Blässhühner
hatten in dem Kampfgetümmel meist das Nachsehen. Der Himmel tiefblau, nur zum See nach Osten hin schwadeten
ein paar Zirren herum. Die verschiedenen Wetterseiten im Internet legten für diese Nacht auch nahe, eher weiter im
Westen zu beobachten, denn im Osten sollte es vermehrt hohe Bewölkung geben. Es bestand aber keine Einigkeit,
wie weit die nach Westen vordringen würde, und wann das der Fall sein könnte.

Wohin also zum Beobachten fahren ? Da kam der westlich gelegene Auerberg infrage, ich hab mich aber für Geigersau
entschieden: Zwar etwas östlicher gelegen, der Rückweg ist allerdings spürbar kürzer - zumal ich ja am Samstag an der
VSW München auf der Matte stehen würde, zu unserem Tag der offenen Tür. Und außerdem reizte es mich, nochmal
den versteckten Wald- und Wiesenplatz weiter unten anzusteuern, an den es mich neulich verschlagen hatte, weil oben
auf dem Höhenrücken - am klassischen Spechtelplatz - ein recht kräftiger Wind gegangen war.
Mit dem 9,5-Zoll "Fünfling" im Auto ging es also den vertrauten Weg über Weilheim nach Süden, dann über die Ammer
in das Hügelland im Ammerknie hoch. Oben vor Böbing wieder der tolle Blick auf die nahen Berge, und schließlich über
das kleine Sträßchen hin zu dem Platzerl auf rund 800 Metern Höhe.

Der 9,5-Zoll Fünfling mit Blick nach Nordosten


Ein abendlicher Besuch

Als das Fernrohr schon auf dem Feldweg stand, kam in der Dämmerung noch ein Auto vorbei. Es hatte mich schon um
gut hundert Meter passiert, drehte dann aber wieder zu mir um: Ein Einheimischer, der den Typ in Skihosen mit dem arg
seltsamen Gerät so gar nicht einordnen konnte, und mal nach dem Rechten sehen wollte. Ich erzählte ihm, was ich hier
so mache, und merkte, dass ihm die Welt der Sterngucker bislang noch ganz fremd war ;-) Der Jäger wäre heut nicht da,
der hätte sicher auch geschaut. Sein anfängliches Misstrauen war aber bald verflogen, und wir haben uns noch über seine
Heimat unterhalten. Er freute sich, als ich meinte: "Ihr habt es echt schee hier", und erzählte mir von einem nahen Hang,
wo man einen wunderbaren Blick auf die Berge hat - da schau ich bei Gelegenheit mal vorbei. "Ja, jeder braucht seine
Hobbies", ergänzte er noch, und wünschte mir eine gute Zeit. Ich lud ihn für später zum Durchschauen ein, heut hatte
er aber keine Zeit.

Sonnenuntergang


Drei kompakte Galaxiengruppen

Der Frühlingshimmel ist Galaxienzeit, und ich hatte mir vorab ein paar Galaxiengruppen zur Beobachtung ausgeguckt.
Ich hatte diese Gruppen alle bereits mit unterschiedlichen Öffnungen beobachtet, und wollte mal schauen, was da mit
dem Fünfling so geht - gerade auch bezüglich einiger der schwächeren Begleitgalaxien. Ganz entscheidend ist dabei
natürlich der Himmel: Geigersau ist zwar kein Hochgebirgsstandort, hat nahe am Alpenrand aber schon sehr brauchbare
Voraussetzungen. Meteoblue hatte auch gutes Seeing und eine Luftfeuchte nur so um 55 % prognostiziert - das sah doch
gut aus.

Da hab ich gleich mal alte Bekannte besucht: Die Galaxiengruppe um NGC 3190 im Löwenhals; diese Vierergruppe
wird auch unter der Bezeichnung Hickson 44 geführt, und unter den Veteranen der VSW München kennt man sie noch
als "Olli's Cluster": "Gehört" sie doch schon seit den 80ern dem Oliver Montenbruck, und in dieser Zeit haben sich so
einige VSW'ler ihre "eigenen Objekte" gekrallt ;-) - so z.B. auch Haley, Hans-Georg, Rainer und ich. Das ist wirklich
ein tolles Quartett im Fünfling ! Zwei Galaxien sind um die 11 mag hell; deutlich am schwierigsten ist NGC 3187, nur
etwa 13 mag hell und mit ziemlich niedriger Flächenhelligkeit - da musste ich genauer hinschauen, um indirekt dann aber
problemlos ein längliches Objekt zu erkennen. Im August 2011 war die Gruppe übrigens "Astronomy Picture of the Day".

Dann ging es zum 300 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxienhaufen Abell 1367, bei dem ich vom 20-Zöller her viele
schwache Fleckchen in Erinnerung hatte. Als Einstieg für die Suche diente mir der nahe Stern 93 Leonis, den ich direkt
über den Leuchtpunktsucher bequem eingestellt habe. Die Hauptgalaxie NGC 3842 (11,8 mag) war leicht zu finden, und
nach geduldiger Beobachtung konnte ich in der Umgebung weitere Galaxienfuzzel eindeutig zuordnen: Am einfachsten
NGC 3837, und schließlich auch die jeweils 13,6 mag hellen NGC 3841 und UGC 6697; letztere ist sehr länglich, das
war indirekt gut zu erkennen, und hatte gefühlt schon fast "Superthin"-Charakter - dazu ein Bild von Jürgen Reinhardt.

Zudem hab ich im Osten der Jagdhunde die enge Galaxiengruppe um NGC 5350 und 5353/5354 eingestellt, Hickson 68.
Die genannten Komponenten sind jeweils knapp 11 mag hell, und eingebettet in eine auffällige Reihe von Feldsternen:
Ein einfaches und lohnendes Ziel für einen 9,5-Zöller, das auch schon mit spürbar weniger Öffnung probiert werden kann.
Zusammen mit NGC 5354 (Helligkeit 13 mag) und der 10,8 mag hellen Galaxie NGC 5371 - ein halbes Grad östlicher -
hat Michael Vlasov dieses Feld auf dieser schönen Zeichnung verewigt.

v.l. Sirius - Oriongürtel - Hyaden - Plejaden (+ Mars) vor dem Untergang


Coma-Sternhaufen und Löwe


Und noch so allerlei ...

Bereits in der späten Dämmerung hatte ich den Orionnebel und das Galaxientriplett (M65, M66, NGC 3628) im Löwen
aufgesucht, und später eine Reihe weiterer klassischer Highlights: M51 zeigte klar Spiralstruktur, aber hier merkte man,
dass der Himmel nicht die Dunkelheit so mancher alpiner Standorte hat; die Spirale kenne ich vom 10-Zöller her auch
spürbar besser. Das Staubband in NGC 4565 war gut zu erkennen, die Kugelhaufen M3 und M13 schön klar aufgelöst,
sehr ästhetisch - gerade bei den hellen Kugelhaufen erscheint mir der Unterschied zwischen einem fast 10- und sagen
wir einem 6-Zöller sehr augenfällig.

Gezielt habe ich auch die edge-on Galaxie NGC 4111 aufgesucht, die nahe bei dem Mehrfachstern 67 UMa leicht zu
finden ist: Toll mit dem markanten Kern, der "Mondaufgang über dem Meer", wie Frank die dünne Galaxie nennt.

Der sternreiche offene Haufen M35 ist ja gerade etwas für kleinere Fernrohre, er machte bei 45x aber noch einen recht
kompakten Eindruck; während mir NGC 2158 gleich nebenan bei 100-fach - in feinsten Puderzucker aufgelöst - am
besten gefiel. In der Nähe hab ich noch den Supernova-Überrest IC 443 (Teile mit OIII-Filter schwach erkennbar) und
NGC 2174 - den "Affenkopfnebel" - mitgenommen. Der ist übrigens relativ hell, schon ohne Filter gut erkennbar, und
mit OIII kommt einiges an Details heraus; den Affenkopf als solchen kann ich mir auch gut in den Umriss hineindenken.
Eingebettet ist übrigens der offene Haufen NGC 2175.

... und ein sehr fixer Veränderlicher

Außerdem hat mich Stefan's Bericht im Astrotreff dazu ermuntert, nach dem interessanten Veränderlichen GSC 191-1230
zu schauen. Er ist zwar nur rund 13 mag hell, verändert aber seine Helligkeit innerhalb einer Periode von nur 68 Minuten
um eine halbe Größenklasse - das sollte visuell mit dem Fünfling zu erkennen sein ! Was das Aufsuchen stark vereinfacht:
Das Teil liegt nicht einmal ein Grad vom hellen Stern Prokyon weg, und ich hatte mir die Position vorab genau skizziert.
GSC 191-1230 war bei 100x zusammen mit einem nahen Nachbarsternchen gut zu erkennen. Ich habe ihm jetzt nicht über
längere Zeit am Okular zugeschaut - dafür gab es zu viele andere Ziele -, sondern bin stichprobenartig vorbei gekommen.
Und tatsächlich, beim zweiten Mal konnte ich einen Unterschied sehen: Jetzt war er deutlich heller als der Nachbarstern,
beim ersten Mal war er nur bisserl heller gewesen. Unschwer zu erkennen - schee :).

Das tolle Konzert der Waldkäuze

Was die Naturlaute während der Nacht betrifft, ist der Taubenberg in der Münchner Spechtelszene ja schon legendär;
und ich bin in der Hinsicht von den vielen Frühlingsnächten dort ausgesprochen verwöhnt. Diese Nacht bei Geigersau
stand den besten Taubenberg-Konzerten aber in nichts nach: Dabei denke ich weniger an das laute Bellen der Rehböcke,
das öfter mal zu hören war, sondern an das Live-Orchester der Waldkäuze: Eine Eule war vielleicht 30 Meter von mir
weg, in den nahen Bäumen, und mehrere andere - Männchen und Weibchen - meldeten sich vom Wald rings um die
große Wiese zurück, besonders in der Stunde um Mitternacht herum; bisweilen kam die akustische Intensität durchaus
an dieses nächtliche Waldkauz-Video auf YouTube heran - ein schönes Naturerlebnis !

Kleiner und Großer Wagen, rechts unterhalb Bootes mit Arktur


Oben der Drachenkopf, darunter Leier mit Wega


Gegen ein Uhr macht es immer mehr zu ...

So gegen halb Eins bemerkte ich erste Zirren, die den Himmel dann so allmählich zugekleistert haben. Irgendwann
nach halb Zwei hab ich zusammengepackt, und dann wohl rund dreieinhalb Stunden im Auto gepennt - nicht ultra
bequem, gibt mir auf dem rückgeklappten Beifahrersitz aber immer die paar Stunden Schlaf, die ich für eine sichere
Heimfahrt ohne die Gefahr von Sekundenschlaf brauche.

Und nochwas: Ich habe zu Beginn der Nacht auch noch mal die Gruppe der "drei Schneebälle" angesteuert, und zwei
von denen konnte ich mit dem H-Beta Filter zart ausmachen - Sh-255 und Sh-257. Was es damit auf sich hat erläutere
ich im folgenden ...



Rückblick auf den Abend des 8. März 2019

Wie schon eingangs erwähnt hatte ich diesen Spechtelplatz schon einmal mit dem Fünfling angesteuert, am
Freitagabend vor genau drei Wochen. Damals war klar, dass früher oder später eine Front von Nordwesten
hereinziehen würde: Diese kam dann eher früher als erwartet, und hatte der Beobachtung nach gut zwei
Stunden gegen 21:15 ein Ende bereitet.

An dem Abend hatte ich u.a. drei der "Deep Sky Objekte des Monats" aus dem Astrotreff-Forum eingestellt,
und dazu im Astrotreff folgendes gepostet:

Zum Rosettennebel

"Gestern Abend habe ich mit dem 9,5"-Fünfling am Alpenrand nahe Geigersau beobachtet; diesmal gut 100
Höhenmeter tiefer auf der Südseite, etwas waldgeschützt, oben war recht viel Wind. Den Sternhaufen NGC 2244
erkenne ich sehr oft mit bloßen Augen, er ist ja immerhin 4,8 mag hell - ich habe ihn auch diesmal direkt per
Leuchtpunktsucher eingestellt. Mit OIII-Filter bei 45x füllte der Rosettennebel das Gesichtsfeld aus: In der
Mitte ein großes Loch, der Ring geschlossen - aber auf der Nordseite viel heller und auch breiter, die
die helleren Teile hufeisen-ähnlich um den Haufen herum, der Südteil deutlich am schwächsten."

Hier der Link zum diesem Astrotreff-Monatsthema.


Zum Nebelquartett im Einhorn

"... gute Durchsicht - mit 45x und 100x: Die Nebel NGC 2245, NGC 2247 und IC 446 jeweils sehr deutlich. Die
vermuteten Aufhellungen bei IC 447 - gerade bei 45x - stimmen schon mit den Fotos zusammen; ohne die Kenntnis
der Bilder würde mir das Objekt aber kaum auffallen, und könnte auch eine der normalen leichten Aufhellungen
innerhalb der Milchstraße sein, die von einer weit entfernten Sternverdichtung herrührt.

Und nochmal den Sternhaufen Trumpler 5 beobachtet, da war schon Konkretes zu sehen: Indirekt etliche feine
Puderzucker-Sterne, und eine rundliche Form des Haufens. Bei 100x einige Einzelsterne auch direkt, aber der
Hintergrundnebel kam mit 45x besser heraus."

Hier der Link zum diesem Astrotreff-Monatsthema.


Zu den drei Schneebällen

"Für die 'Schneebälle' bin ich mit 45-facher Vergrößerung bei Xi und Ny im nördlichen Orion eingestiegen.
Der unverwechselbare '37' Sternhaufen NGC 2169 fällt nebenan richtig ins Auge, und ich habe noch den dichten
Haufen NGC 2194 mitgenommen - viele kleine Puderzucker-Sternchen. Dann den UHC-Filter rein (H-Beta hatte
ich nicht dabei), und weiter zu den Schneebällen gehangelt. Einer der Nebel fiel mir auch mit dem UHC sofort ins
Auge, das müsste demnach Sh2-255 gewesen sein. Ich sehe drohende Wolken näher kommen, und will mir das bei
100x und UHC anschauen. Leider schaff ich es nicht mehr vor den Wolken, und Ralph bestätigt über Handy, dass
die vorhergesagte große Wolkenfront gerade am Eintreffen ist. Schade, keine Zeit mehr, nach Sh2-257 zu schauen.
Ich packe ein, und warte mögliche spätere Wolkenlücken nicht mehr ab.
Die Schneebälle hatte ich von Reiners schöner Homepage inspiriert schon früher mal im 16-Zöller drin. Sh2-255
und Sh2-257 waren mit H-Beta einfach zu erkennen, den Sh2-254 konnte damals nicht sicher ausmachen."

Hier der Link zum diesem Astrotreff-Monatsthema.


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