Eine klare Nacht am Parkplatz Winterstube

Nacht Sonntag / Montag, 10./11. April 2016

Schon seit einigen Tagen hatten verschiedene Wetterseiten für die Nacht Sonntag auf Montag am Alpenrand klaren
Himmel prognostiziert. Nachdem es die letzten Monate sehr häufig bewölkt war, mit nur wenigen guten Gelegenheiten
zum Spechteln, war ich nunmehr schon spürbar auf Entzug ;-) Und nun wartete der Frühlingshimmel mit seiner schier
unbegrenzten Fülle an Galaxien ! So habe ich mir den Montag freigenommen, und da mein alter Spechtelfreund Ralph
auch Zeit hatte, bot es sich an, sein 20-Zoll Dobson-Fernrohr mal wieder in die Berge auszuführen :)

Wir wählten den schnell erreichbaren Parkplatz Winterstube südlich des Tegernsees, wobei uns bewusst war, dass Plätze
weiter östlich - am besten jenseits des Inns - von der Prognose her noch sicherer waren, weil weiter von den vorhergesagten
Zirren im Westen entfernt. Als wir gegen 18:30 am Ziel ankamen, war dann auch einiges an Zirren unterwegs, vor allem am
Westhimmel.

Ralph und Ben mit dem 20-Zöller

Mondsichel mit Zirren im Westen - Bild: Ralph Muth

Aber siehe da: Nach neun Uhr - mit Einbruch der Dunkelheit - verzogen sich die Zirren, und es wurde bald richtig klar;
allerdings erstmal mit sehr unruhiger Luft, was die wabernden Bilder von Mond und Jupiter deutlich machten. Und auch
der 1,6" enge Farbkontrast-Doppelstern Struve 644 erschien zwar getrennt, war aber nicht richtig scharf zu bekommen.
Zudem war es recht feucht, mit diversen nassen Oberflächen und schnell mal beschlagenen Optiken. Dagegen ist Ralph
inzwischen aber gut gewappnet, mittels batteriebetriebener Heizmanschetten, die er um Fangspiegel, Okulare und Sucher
wickeln kann: So blieb der Einblick bis zum Morgen hin nahezu ungetrübt :)

Welche Lichtquelle leuchtet uns hier an ?

Oben Mitte rechts der Coma-Sternhaufen - Bild: Ralph Muth

Es ist der bald untergehende Mond gegenüber im Westen

Und auch Orion und Plejaden sind gleich weg - Bild: Ralph Muth


Ein 20-Zoll Fernrohr sammelt eine Menge Licht, und so konnten wir bei den großen Highlights viele Details erkennen:
Ein Ziel war wieder mal M82, auch angeregt durch einen Artikel in Sky & Telescope. Da haben wir uns eine Zeitlang
aufgehalten, und bei den recht hohen Vergrößerungen von 335x, 425x und etwa 600x offenbarte diese grandiose aktive
Galaxie eine ganze Reihe ihrer chaotischen Details - trotz noch mäßigem Seeing. Bei der benachbarten Galaxie M81
waren beide Spiralarme zu erkennen, und darüber hinaus hatten wir so großartige Objekte wie die Staubband-Nadel
NGC 4565, den "Fisch" NGC 4631 (mit vielen Knoten) und die "Whirlpool"-Galaxie M51 im Okular.

Der Stern 6 Comae war mal wieder der Einstieg in den Virgo-Galaxienhaufen, und hier konnten wir bei M99 und M100
einiges an Spiralstruktur ausmachen - bei M100 zeichneten sich die großen Arme im Süden und Nordwesten recht gut
ab. Sehr reizvoll auch das ungleiche Paar NGC 4298 / NGC 4302 - die eine Galaxie rund, die andere langgestreckt. Nicht
weit entfernt dann Reiner Vogels "Deep-Sky Objekt des Monats April" im Astrotreff, drei schmale "edge-on" Galaxien,
die wir im Weitwinkelokular alle sofort zusammen in einem Feld erkennen konnten: Dabei ist NGC 4216 viel heller als die
anderen, und zeigte ihr Staubband in Form einer deutlich erkennbaren dunklen Kante an der Ostseite. Und daneben noch
NGC 4206 und NGC 4222; letztere hat die geringste Helligkeit, und erschien uns von allen dreien - in Relation Länge zu
Breite - auch am schmalsten.

21:54 MESZ: Der Löwe mit Jupiter fast im Meridian

0:47 MESZ: Westhimmel - Krebs und Zwillinge vor dem Untergang

Irgendwann nach 1:00 zog sich Ralph dann in seinen Schlafsack auf dem nahen Damm zurück. Ich spürte auch eine
gewisse Müdigkeit, die ich angesichts der noch anvisierten Objekte aber bewusst ignorierte. Der klare Alpenhimmel
tat dann ein Übriges, um die Euphorie zu steigern, und die nötige Energie zu bekommen. Zudem war das Seeing auch
deutlich besser geworden, und man konnte jetzt problemlos höher vergrößern - ein zusätzlicher Anreiz möglichst lange
weiter zu spechteln !

Ich hatte mir einige Galaxienhaufen vorgenommen, die ich früher schon mal im Fernrohr hatte, jetzt aber im 20-Zöller
sehen wollte. Der Einstieg führte über den Stern 93 Leonis, erstes Ziel war der etwa 300 Millionen Lichtjahre entfernte
Haufen Abell 1367, mit der Hauptgalaxie NGC 3842 (11,8 mag); in der Umgebung konnte ich viele Fleckchen erkennen,
darunter sehr deutlich die edge-on Galaxie UGC 6697 - dazu hier ein Bild von Jürgen Reinhardt.
Danach ging es über den nahen Stern 92 Leonis zur mit etwa 450 Millionen Lichtjahren noch weiter entfernten Gruppe
"Copeland's Septett" (Hickson 57): Wunderschön, am besten bei 335x im 6mm Ethos Okular, mit indirektem Sehen
waren alle sieben Komponenten (13,6 bis 15,2 mag hell) - zwei enge Dreiergruppen und eine einzeln stehende Galaxie -
gut auszumachen; hier eine Zeichnung von Andreas Domenico mit einem 18-Zöller gemacht.

Mein zweiter Ankerpunkt war der insgesamt 2 mag helle, lockere Coma-Sternhaufen Melotte111: Der ist in Stadtnähe
kaum zu sehen, erscheint unter Alpenhimmel aber sehr auffällig im Zentrum des Frühlingshimmels, zwischen Arktur,
dem Großen Wagen und dem Löwen. Von hier aus startete ich zwei "Starhopping"-Touren, um mich mit dem 6x30-
Sucher entlang diverser Sternmuster den jeweiligen Zielen entgegen zu hangeln: Die kurze erste Route führte an der
Galaxie NGC 4274 vorbei, bei der im 20-Zöller zu ahnen war, warum sie mit Saturn verglichen wird. Das Ziel war
ein Rechteck aus vier 12 bis 13 mag hellen Galaxien, genannt "The Box" (Hickson 61); eine davon ist sehr länglich
mit nur geringer Flächenhelligkeit. Ein tolles Objekt, wie es auch in der Zeichnung von Uwe Glahn - mit einem
16-Zöller gemacht - schön zu erkennen ist.
Die andere Tour war viel länger, und führte zunächst zu einer Galaxiengruppe mit drei Verdichtungen um NGC 4015,
NGC 4005 und NGC 3987; besonders schön ist die Gegend um die edge-on Galaxie NGC 3987, zusätzlich mit ein
paar eingestreuten Vordergrundsternen. Nun ging es fast fünf Grad nach Süden, zu der Galaxiengruppe um NGC 4065,
mit einigen 13 mag hellen Galaxien, deren hellste ein L-förmiges Muster bilden. Am Rückweg habe ich unterwegs noch
die ganz schmale "Superthin"-Galaxie UGC 7321 mitgenommen - mit indirektem Sehen taucht ein dünner, geisterhafter
Strich auf. Die Galaxienhaufen dieser beiden Touren liegen grob im Bereich von 200 Millionen Lichtjahren Entfernung.

Darüber hinaus habe ich bei einigen helleren Galaxien vorbei geschaut: Alle "klassischen" Details der eckig geformten
Spirale M61 waren sehr gut zu erkennen, darunter der abgeknickte Spiralarm im Osten. Desgleichen auch der Balken
von NGC 4725, mit markanten "Ankerarmen" an seinen beiden Enden, und sehr lohnend war auch ein Abstecher zum
Coma-Galaxienhaufen - mit einer großen Zahl kleiner Fleckchen über das ganze Feld verstreut. Erkennen konnte ich
auch Details wie den zentralen Ring bei M94, oder den einzelnen dicken Spiralarm in NGC 4618, und wie immer gab
es tolle Einzelheiten in NGC 4449 und M106 zu bestaunen.
Ein spezielles Ziel war die 15 mag helle Supernova in der Galaxie NGC 3184; mit indirektem Sehen war sie deutlich
als eine Komponente eines engen "Doppelsterns" - im Paar mit einem Vordergrundstern - zu sehen; hier eine Aufnahme
von Manuel Gavin. Und dahinter konnte ich das geisterhafte spiegelverkehrte "S" der "face-on" Spiralgalaxie erahnen.
Grandios auch die drei hellen Kugelsternhaufen M3, M5 und M13 bei 335-facher Vergrößerung - das wäre was, wenn
wir sie so an der VSW herzeigen könnten, wie hier im 20-Zöller in den Alpen !

Es blieb durchgehend klar, und als ich schließlich in den Schlafsack draußen auf dem Damm krabbelte, war es 4:50.
Das war ein richtig guter Himmel gewesen, mit einer reichen Ausbeute an tollen Objekten ! So schee scho :)

3:46 MESZ: Vom Adler zum Skorpion - inklusive Saturn und Mars

Das Sommerdreieck ist aufgegangen




Zurück zur Hauptseite