Zwei richtig gute Nächte in der Rhön


Samstag, 10.Oktober, bis Montag, 12. Oktober 2015

Mit Friedhelm hatte ich das Thema "Rhön" schon öfters diskutiert, und was heuer im Anschluss an das ITV noch nichts wurde, haben
wir diesen Oktoberneumond durchgezogen - zumal auch der Wetterbericht für die Mitte Deutschlands deutlich besser aussah als für die
Alpen, und ich mir schon im Vorfeld den Montag als Urlaubstag reserviert hatte. So bin ich Samstag die fast 400 Kilometer von München
aus hochgefahren, diesmal wieder mit meinem 10-Zöller: Um in der ersten Nacht alleine zu spechteln, während Friedhelm mit Horia aus
Wiesbaden für die zweite Nacht auf Montag hinzukam, mit Horia's 18-Zöller im Gepäck. Horia und Friedhelm hatten schon zusammen in
Chile die südlichen Sterne beobachtet, und als Friedhelm und ich wieder mal vom fantastischen Himmel bei unserem Südhimmeltrip nach
Reunion - inzwischen 20 Jahre her - schwärmten, meine Horia dazu: "So einen Himmel werdet ihr nicht wieder bekommen". Hier sprach
der nüchterne Realist, und er könnte gut recht behalten - aber die tolle Erinnerung bleibt :)

Ich hatte mir einen Spechtelplatz am Rand eines Parkplatzes nicht weit vom "Schwarzen Moor" ausgeguckt : Auf etwa 770 m Höhe gelegen;
zwar mit einiger Abschattung durch umliegende Bäume, dafür aber windgeschützt, und mit sehr freiem Blick nach Süden. Und nicht weit weg,
etwas tiefer am Hang, liegt die "Sennhütte" - ein schönes Gasthaus, das ich in den zwei Tagen mehrmals zur Stärkung aufsuchte.

Die erste Nacht auf Sonntag

"Rhön ist toll, du wirst begeistert sein"

Das hatte Uwe noch hinzugefügt, nachdem er mir mal ein paar mögliche Plätze für dieses Mittelgebirge genannt hatte. Die Wettervorhersagen waren
sich für diese Nacht nicht einig: Die einen sagten durchgehend gute Bedingungen voraus, andere meinten dagegen, dass es erst in den Morgenstunden
aufmachen würde. Bei Dunkelwerden war es jedenfalls bewölkt, und ich versuchte, im Auto erstmal etwas zu schlafen; das gelang, und zwischendrin
bin ich sinnvollerweise auch immer wieder aufgewacht: Gegen elf und auch gegen ein Uhr war es noch bewölkt, aber gegen 2:00 war es völlig klar:
Die Grenzgröße im Zenit dürfte so um die 6.8 bis 6.9 mag gelegen haben, und die Galaxie M33 war indirekt ohne Probleme auszumachen. So hatte
es Uwe richtig vorhergesagt: Ich war begeistert - für einen nicht-alpinen Standort mitten in Deutschland war das ein richtig toller Himmel :)

2:58 MESZ: Freie Sicht nach Süden und Südwesten

Blick nach Westen


Im 10-Zöller machte ich eine Rundreise im Grenzgebiet der Sternbilder Andromeda, Perseus und Dreieck: Vom tollen Farbkontrast-Doppelstern
Alamak über NGC 891 (Staubband durchgehend auszumachen, in der Mitte deutlicher), den Galaxienhaufen Abell 347 um NGC 910 (vier der Galaxien
deutlich), die flächenhelle Galaxie NGC 1023, den offenen Sternhaufen M34, den Perseus-Galaxienhaufen um NGC 1275 (etliche Fleckchen sichtbar),
den Farbkontrast-Doppelstern 15 Tri, die Galaxie NGC 925, den lockeren offenen Haufen NGC 752 zu dem engen Galaxienpaar NGC 750/51. Und dazu
noch weitere Galaxienhaufen wie etwa die Gruppen um NGC 7619/7626, NGC 83 und NGC 691 - die letztere Anhäufung ist locker um den relativ engen
Farbkontrast-Doppelstern 1 Arietis gruppiert, mit vier Galaxien so um die 12 mag Helligkeit herum. Und ein Ausflug in die Milchstraße in Cassiopeia und
Perseus, und dabei nochmal speziell auf die roten Überriesen in den Sternhaufen NGC 457, M103 und h+Chi im Perseus (hier gleich fünf dieser Sterne)
geachtet - die sind im Perseusarm unserer Milchstraße so grob 8000 Lichtjahre entfernt, und vom Beteigeuze-Typ, und somit alle Kandidaten für eine
Supernova-Explosion. Und sehr gut kamen auch die klassischen Galaxien M31 und M33; in M33 war die Spiralstruktur sehr deutlich, mit ein paar
eingestreuten Knoten.

Planetenparade & Mondsichel am Morgenhimmel

So gegen halb fünf habe ich den Zehnzöller wieder im Auto verstaut, und bin - nur mit Feldstecher und Kamera - zur alten innerdeutschen Grenze
gelaufen, das ist zu Fuß nicht mal einen Kilometer weg. Ich brauchte für die Planeten eine freie Horizontsicht, und das war hier sogar nach allen Seiten
hin gegeben - ein freier Blick über weite Hochflächen. Als historisches Denkmal stehen hier noch ein Wachturm und ein paar Segmente des ehemaligen
Stacheldrahtzaunes, was vor dem nächtlichen Sternenhimmel eine irgendwie bizarre Kulisse abgab. Die nächsten anderthalb Stunden habe ich hier in
Ruhe verfolgt, wie Venus, Mars und Jupiter zusammen mit dem Sternbild Löwe immer höher stiegen, bis schließlich die schmale Mondsichel, und
ganz zum Schluß - schon in der aufgehellten Dämmerung - auch noch Merkur auf der Bühne erschien. Ein sehr schönes Erlebnis !

4:59 MESZ : Auf dem ehemaligen Kolonnenweg der DDR-Grenzer

v.l. Großer Wagen und der aufgehende Löwe; und rechts aufsteigend Jupiter, Mars und Venus

6:26 MESZ: Löwe & Planeten in der Dämmerung

v.r. absteigend Venus, Mars, Jupiter, Mondsichel und auch Merkur

Nächtliche Eindrücke mit einzelnen Überbleibseln ...

... der ehemaligen Grenzsperranlagen



Übertagen am Sonntag

Ein munteres Treiben der Vögel

Es war bereits helle Dämmerung, als ich zum Parkplatz zurückkehrte, um noch etwas im Auto zu pennen. Als ich gegen neun wach war, waren die Vögel der
Umgebung sehr aktiv, und das konnte ich aus dem Auto heraus - auch mit Feldstecher - bequem verfolgen: Da drin war ich für die Tiere praktisch nicht existent,
und da auch sonst noch kein Mensch zu sehen war, fühlten sich die Vögel völlig ungestört: Ganz in der Nähe wechselten zwei Eichelhäher ohne ihr sonstiges
warnendes "Ratschen" mehrmals die Bäume, ein Kleiber suchte in der Birkenrinde nach Nahrung, und eine ganze Meute gutgenährter Drosseln machte sich
über die Vogelbeeren zweier Ebereschen her. Und völlig unbesorgt waren die beiden Kohlmeisen, die emsig auf den Seitenspiegeln und dem gefrorenen
Glasdach meines Autos herumturnten.

Die Welt ist klein ...

Da ich erst gegen Mittag mit Friedhelm und Horia verabredet war, bin ich nochmal zur ehemaligen Grenze herüber gelaufen. Dabei kam ich mit einer Gruppe aus
Sachsen ins Gespräch, und an diesem Ort ging es bald um das Thema, wie das Leben in der DDR so war - für mich "Wessi" auch immer interessant, das aus erster
Hand zu hören. Und kurz vor dem Wachturm sah ich dann jemand mit Sonnenbrille links die halb verfallene Holztreppe eines vermutlich überwachsenen Bunkers
hinaufsteigen, und die Person erinnerte mich an einen bekannten Vertreter aus der Beobachterszene. Wir sahen uns aus gewisser Entfernung an - auch ich hatte eine
Sonnenbrille auf - und er meinte als erster: "Ben, bist du's ?" Ja, ich wars wirklich, und er war tatsächlich Uwe - so ein Zufall ! Und der bald hinzukommenden
Gruppe konnte ich oben auf dem Bunker noch einen zweiten Sterngucker vorstellen.

Auf der Durchreise hatte Uwe "nur" den 8-Zöller dabei, und war für die kommende Nacht mit Oliver aus Frankfurt zum Beobachten verabredet. Den Ratsch am Rückweg
zum Parkplatz setzten wir dann abends im Gasthaus noch in netter Runde mit Friedhelm, Horia und Oliver gemütlich fort; so habe ich hier neben Horia auch noch Oliver
kennengelernt - von beiden kannte ich bisher nur ihre schönen Reiseberichte aus dem Forum. Nachts trennten sich unsere Wege aber wieder, denn Oliver und Uwe hatten
sich für einen Beobachtungsplatz weiter westlich entschieden, während wir an meinem Parkplatz blieben - eine zentrale Frage war dabei, wie man dem recht kräftigen
Wind am besten ausweichen konnte.

Vorher hatte ich Friedhelm und Horia aber schon zum Mittagessen auf der Sennhütte getroffen. Anschließend begaben wir uns auf eine reizvolle Wanderung, erst nochmal
zur Grenze, und dann weiter zum Schwarzen Moor; dort ist auch ein hölzerner Aussichtsturm, von dem aus man das ausgedehnte Feuchtgebiet schön überblicken kann.

Kraniche auf dem Weg nach Süden

Friedhelm hatte sie zuerst an ihren trompetenartigen Rufen erkannt

Weite Landschaft auf dem Hochplateau

Nicht weit von der ehemaligen Grenze entfernt


Der Kolonnenweg markiert heute das "Grüne Band"

Am ehemaligen Grenzzaun: v.l Horia, Friedhelm und Ben


Unterwegs ...

... zum Schwarzen Moor



Die zweite Nacht auf Montag

Wie allgemein vorhergesagt war die zweite Nacht von Anfang an klar. Insgesamt erschien mir der Himmel ein wenig aufgehellter als in der Vornacht, aber es war auch
noch früher am Abend. Dennoch war auch das ein sehr guter Himmel, was man auch daran sah, dass wir den Gegenschein in den Fischen ausmachen konnten.

Friedhelm am 10-Zöller ...

... und Horia an seinem 18-Zöller


Friedhelm stellte gleich mal das Paar NGC 6712 (Kugelhaufen) und IC 1295 (Planetarischer Nebel) im Sternbild Schild ein, zuerst in meinem 10-Zöller,
und danach auch in Horia's 18-Zöller - ein interessanter Vergleich, ohne Filter konnte das Loch im Nebel aber nur vermutet werden. Und im großen Dobson
war Galaxienzeit angesagt: Bei den Haufen um NGC 1275 ("Perseushaufen"), NGC 383 und NGC 507 konnte jeweils eine ganze Reihe von Einzelgalaxien
gut gesehen werden; desgleichen vier Galaxien in der direkten Umgebung von NGC 7331, und auch bequem die fünf Mitglieder von Stephan's Quintett. Dazu
hatten wir die interessante Gruppe um NGC 470/474 im Okular, und auch NGC 770 oder NGC 7479 mit dem einzelnen Spiralarm. Und wieder mal wurden
auch Highlights wie die Staubband-Galaxie NGC 891, der "Fötusnebel" NGC 7008 - Horia war schwer beeindruckt - oder der "Crescentnebel" NGC 6888
gereicht - alle großartig im 18-Zoll Fernrohr bei diesem guten Himmel ! Das hat richtig Spaß gemacht: Eine gleichermaßen konzentrierte wie entspannte
Spechtelnacht in freundschaftlicher Atmosphäre, und bei gutem Himmel - die Österreicher würden dazu sagen: Das hat uns richtig getaugt :)


Plejaden, Andromedanebel und der Gegenschein (Bild: Friedhelm Hübner)

Mittig oben sind auch die Sternhaufen M34 und NGC 752 sowie die Galaxie M33 zu erkennen.


22:30 MESZ

1:26 MESZ


Nach ein paar Stunden Schlaf im Auto war ich dann wieder fit für die Heimfahrt; wir hatten die Nacht nicht durchgemacht, ich nicht wegen der weiten Heimfahrt,
und Horia verlockte schließlich die Aussicht auf das warme Gasthausbett - Friedhelm hätte am ehesten weiter gespechtelt, aber ohne uns hatte er wohl nicht mehr
den richtigen Antrieb dazu. So haben wir uns nachts noch verabschiedet, da ich ja oben blieb und nicht mehr zum Frühstück in die Sennhütte kam. Dort hat ihnen
Uwe am nächsten Morgen erzählt, dass er an seinem Platz auch den Gegenschein gesehen hatte.

Auf gehts nach Hause: Bunter Herbstwald am Weg ...

... ins Tal in Richtung Fladungen


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