Eine griabige Nacht auf dem Brauneck (1550 m)

Mit Martin Brückner - Nacht Freitag/Samstag, 13./14. Juli 2018

Freitag morgen versprachen die Wetterseiten im Internet für die kommende Nacht meist klaren Himmel -
für fast den ganzen Bayerischen Alpenraum, besonders nach Osten hin. Und da traf es sich gut, dass ich
den Freitag vorab freigenommen hatte, zumal ich den "Fünfling" - mein 9,5-Zoll Leichtfernrohr - mal für
eine Nacht mittels Seilbahn zum Beobachten auf einen Gipfel ausführen wollte; und da musste man früher
aufbrechen, um die letzten Gondeln zu erreichen - die fahren gewöhnlich bis maximal 17 Uhr. Mein Favorit
war das Brauneck bei Lenggries: Das liegt recht nah, ist mir vom Wandern vertraut, und im Süden ist vom
ausgedehnten, fast unbesiedelten Karwendel nicht viel Störlicht zu erwarten. Und dann waren da ja noch
die tollen nächtlichen Eindrücke von Norman: Der nimmt seinen 12-Zöller öfters mal mit der Gondel auf
einen Gipfel mit, und seine Berichte vom Brauneck sind ja alles andere als abschreckend ;-).

Also Brauneck, und noch Martin (Brückner) Bescheid gesagt - er schreibt: "Es ist Freitag Mittag. Ich sitze
beim Zahnarzt im Wartezimmer, da klingelt mein Handy. Ben ist dran: 'Ich fahre nachher aufs Brauneck
zum Beobachten. Die letzte Seilbahn geht um 17 Uhr. Es gibt klaren Himmel, milde Temperaturen und
kaum Wind.'" Und Martin springt mit auf: "Endlich kann ich meinen 240mm 'Fünfling' mal artgerecht
verwenden." Er wollte nachkommen, wäre für die Seilbahn aber viel zu spät dran: Somit würde er die
rund 800 Höhenmeter erst abends bei einbrechender Nacht aufsteigen. Alle Achtung, das ist wirklich
sportlich - bei all dem Zusatzgepäck ! Ich bin dagegen zeitig mit dem Auto losgefahren, weil ich oben
am Brauneck-Gipfelhaus noch einkehren wollte - für Tagesgäste wird nur bis vier Uhr gekocht. Anders
als Martin hatte ich das Fernrohr auch nicht auseinander gebaut im Rucksack verstaut, sondern komplett
aufgebaut in einer Tragetasche dabei.

Einkehr am Brauneck-Gipfelhaus

Eine Senke am Grat, mit Bank - da will ich beobachten

Oben im Gasthaus bekam ich noch ein Schnitzel. Das Aussehen meines Teleskops löste derweil so manche
Mutmaßung aus ("Ich dachte, das ist ein riesiger Anzünder"); ich erzählte, dass Fernrohre dieser Art auch schon
für Abfalleimer gehalten wurden, aber dass hier zum Glück noch niemand was eingeworfen hätte ;-). Der Wirt
wusste dagegen schon, wie so ein Dobson-Fernrohr aussieht, konnte er sich doch an Norman's Besuch erinnern.
Der wäre an einem Sonntag da gewesen, da sei es viel ruhiger, und da hätte ihm Norman auch was im Fernrohr
gezeigt. Jetzt am Freitag abend sei hier am Berg viel los, ich müsste demnach mit Lichtquellen rechnen.

Gegen 16:15 MESZ: Ich bin den Grat entlang über den Hügel nach Südwesten gelaufen, und die nachfolgende
Senke schien mir geeignet zu sein: Mit einer Bank und einigen Fichten, die auch beim Abblocken von Wind und
Licht von Nordwesten hilfreich sein könnten. Von dort konnte ich auch keine Hütte oder Liftstation erkennen, die
unter Umständen hereinleuchten würde. Und wenn ich mich recht an Normans Bilder erinnerte, hatte er die gleiche
Stelle als MABS verwendet - Terminologie Hans-Georg: "Mobile Astronomische Beobachtungsstation".

Einziger Faktor, den man im Auge behalten musste, auch für die spätere Übernachtung: Es lag schon einiges an
Kuhfladen herum, die waren aber zum Glück recht alt - und somit bereits "knusprig". Ein Begriff, der übrigens
auch von Hans-Georg stammt ("Außen knusprig, innen saftig"); als alter Schnuppenbeobachter am Sudelfeld ist
er mit solcherlei Ambiente über all die Jahre bestens vertraut ;-)

Hier wachsen sowohl Pannonischer Enzian als auch ...

... Gelber Enzian - ja, aus dessen Knollen stammt der Schnaps

Es blieb jetzt noch sehr viel Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit, und die nächsten Stunden verbrachte ich
ausgesprochen "entschleunigt" ;-) Da waren die beiden Kolkraben, über längere Zeit mit ihren heiser klingenden
Rufen zu hören; mitunter flogen sie nahe vorbei oder saßen kaum 50 Meter entfernt auf einem Baum - einmal
führten sie ein akrobatisches Flugspiel vor. Dann war irgendein größeres Tier ganz in der Nähe zu hören, das
klang wie ein Gezeter - vielleicht war das ja das die Gemse, die Martin am Morgen darauf gesehen hat. Und es
gab das weitläufige Panorama der Berge - auf ein paar von denen war ich schon oben - oder die Blumen um die
Ecke zu bestaunen. Oder meinen Sternatlas zum drin Schmökern - kurzum: Die Stunden wurden mir nicht lang,
und mit der Vorfreude auf eine vielversprechende Nacht.

Der 9,5-Zoll Fünfling vor den Bergen, mit Blick Richtung Südosten

Das ist ein echt lauschiges Platzerl !

Und ganz gelegentlich kamen auch Wanderer vorbei. Einer identifizierte den Fünfling sogleich als Teleskop:
"Mein Opa hatte ein kleines Fernrohr, mit dem er mir die Planeten gezeigt hat. Wünsche eine klare Nacht !"
Später kam ich mit drei jungen Amerikanern ins Gespräch, die als Teil einer größeren Gruppe auf der Hütte
übernachten würden - sie sind für einige Zeit in Bayern, um besser Deutsch zu lernen. Einer von ihnen war
astronomisch besonders interessiert, und schwärmte vom Sternschnuppenerlebnis der Perseiden. Ich lud sie
ein, nochmal vorbei zu kommen, wenn es dunkel ist.

20:45 MESZ: Mittlerweile war Martin unten angekommen, und begann mit dem Aufstieg. Er schreibt: "Kurz
hinter dem Parkplatz hat der Fahrweg schon mindestens 20% Steigung, und die wird bis oben nur an ganz
wenigen Stellen wieder unterschritten. Mein Gehtempo muss ich schnell drastisch reduzieren, sonst macht
der Kreislauf das nicht mit. Der doch recht schwere Rucksack und der körpereigene Ballast machen sich bei
diesem Aufstieg allzu deutlich bemerkbar. Zunächst scheint noch die Sonne. Natürlich nicht an den Osthang,
den ich gerade erklimme. Ein Traktor kommt mir entgegen, und einige Radler mit Mountainbikes überholen
mich schiebenderweise. Zum bergauf radeln ist es hier zu steil."

Martin fährt fort: "Ganz allmählich wird der Himmel dunkler, und talwärts kann man immer mehr Beleuchtung
in den Ortschaften sehen. Mehrmals mache ich kurz Pause zur Flüssigkeitsaufnahme und um die Pulsfrequenz
zu senken. Erst ist immer wieder Jupiter über dem Berg zu sehen, dann werden mehr und mehr Sterne sichtbar.
Nach ca. 2h und 600 Höhenmetern erreiche ich das Wasserreservoir zur Pistenbeschneiung. Mittlerweile ist es
komplett dunkel. Der helle Kalkstein des Wegs hebt sich aber auch ohne Mondlicht deutlich von der Umgebung
ab. Kurz danach danach endet der Fahrweg, und die restlichen 150 Höhenmeter geht es auf einem Pfad weiter.
Vorbei an der Bergwachthütte, der Seilbahn-Bergstation und dem Gipfelhaus, die beide beleuchtet sind, so dass
wir dort nicht beobachten können."

Während Martin unterwegs war, konnte ich oben zur gleichen Zeit einen schönen Sonnenuntergang und dabei
verschiedene Farb- und Schattenspiele an den gegenüberliegenden Bergen verfolgen.

In der Dämmerung

Abendrot über dem Starnberger See

Mars, Milchstraße (mit Saturn) und der Skorpion über den Bergen

Links der markante Gipfel des Guffert, dann das Rofan; mittig und rechts die Berge des Karwendels

22:45 MESZ: Als die Dämmerung bereits recht fortgeschritten war, kamen die Amerikaner zurück, und hatten
gleich noch ein paar Leute mehr mitgebracht. Sie hatten zum Sternegucken die richtige Nacht erwischt: Der
Himmel sah ausgezeichnet aus, und das bei wirklich gutem Seeing. Und so konnte ich ihnen sogleich ein schönen
Jupiter zeigen, mit vielen Details nebst GRF und dem Mond Ganymed dicht dran nach Bedeckungsende. Und wie
üblich machte der Saturn mit gut erkennenbarer Cassini-Teilung im Ring einen besonders großen Eindruck; später
kam noch der Mars dran - trotz Staubsturm waren auch einige Details auszumachen, nur blasser. Außerdem stellte
ich einige bekannte Deep-Sky Objekte ein, wie etwa die Sternhaufen M13 und M11, den Hantelnebel M27 oder die
Andromedagalaxie M31.

Ich hatte ihnen erzählt, dass Martin mein Fernrohr gebaut hat, und er noch zu Fuß hochkommen würde. Und als
dann so gegen halb Zwölf eine abgekämpfte Gestalt auftauchte, rief einer sogleich: "Ah, Martin is coming."
Martin selbst schreibt dazu:"Ben hatte mir schon nachmittags mitgeteilt, dass er weiter hinten bei einer Bank
an einer Weggabelung sein Quartier aufgeschlagen hat. Dort hat er leider keinen Handyempfang. Aber schon bald
höre ich vor mir Stimmen. Eine davon ist die von Ben. Er ist eindeutig im Modus 'Öffentliche Himmelsführung'!"

Ja, und das war ein richtig interessiertes Publikum, und die Qualität des Himmels tat ein Übriges, um die Stimmung
hochzuhalten: "So einen Himmel haben wir bei mir in Kansas nicht"; "It was truly an awesome experience to see all
of those constellations and planets ... and truly a night to remember." Daneben entwickelte sich ein Ratsch über ganz
unterschiedliche Themen, wobei auch wieder mal der Aspekt des fehlenden Tempolimits auf deutschen Autobahnen
zur Sprache kam ;-) Es dürfte gegen halb Eins gewesen sein, als der letzte unserer Gäste zur Hütte zurückkehrte.

Die amerikanische Gruppe unter einem tollen Himmel: Hier ist der Saturn ...

... und dort der Jupiter im Fernrohr eingestellt

Martin stellte nach Aufbau seines Fernrohres fest, dass sein Leuchtpunktsucher nicht mehr funktionierte - offenbar
hatte er ihn das letzte Mal nicht ausgeschaltet, und die Batterie war leer. Ohne Werkzeug oder zumindest der Hilfe
eines Messers schien diese aber kaum zu wechseln zu sein; sowas hatten wir beide nicht dabei, und so peilte er
für die weitere Nacht über eine Kante des Teleskops. Ich hatte übrigens auch Probleme mit dem Leuchtpunktsucher,
und da am Himmel jetzt auch einige Wolken aufzogen - in der Tendenz zunehmend - haben wir uns weiters auf eher
gemütliches Spechteln verlegt, und von ehrgeizigeren Deep-Sky Zielen Abstand genommen.

Ich hab noch einen Ausflug in die Milchstraße unternommen, und war dabei meist im Bereich Adler bis Schwan
unterwegs - mit 45- oder 100-facher Vergrößerung: Ich kam an einigen vertrauten Haufen vorbei, wie NGC 6709
im Adler, oder NGC 6834 im Schwan - knackig scharfe Bilder im Fernrohr mit vielen feinen Sternchen. Albireo
ist mit seinem tollen Farbkontrast immer sehr reizvoll, und bei der Gelegenheit hab ich noch schnell mal "Campbell's
Hydrogen Star" mitgenommen: Der fiel gleich an seiner eigentümlichen Farbe auf, bei 235x hatte ich früher schon
mal im 10-Zöller einen rötlichen Saum um den Stern ausmachen können - ein ganz ungewöhnlicher Nebel. Und dann
in die "Downtown" des Schwans, die enorm sternreiche Region um NGC 6871. Bei Martin gab es einen tollen Saturn
zu bestaunen, er meinte auch: "So ein gutes Seeing haben wir unten in Königsdorf nicht".

Martin beobachtet an seinem Fünfling ...

... und der Große Wagen rutscht nach Norden herunter

Es blieb mild, die Temperatur dürfte hier oben auf 1500 Metern kaum unter 10 Grad gefallen sein. Allmählich
meldete sich die Müdigkeit, und als sich irgendwann nach 3 Uhr die Morgendämmerung zunehmend bemerkbar
machte, bin ich in den Schlafsack gekrochen. Ich hatte mir schon vorher bei Tageslicht einen Platz zum Schlafen
ausgeguckt, Martin lagerte weiter oben bei der zweiten Bank. Ja, wir konnten auf eine echt griabige Spechtelnacht
zurückblicken ! Ein schönes Erlebnis in toller Umgebung, und geteilt mit einer Gruppe von jungen Leuten, die uns
ein sehr positives Feedback zurückgegeben hat :)

In der Morgensonne: Unsere beiden Fünflinge ...

... und mein Nachtquartier (beide Bilder von Martin)

Allzu lang haben wir nicht geschlafen, bis uns die Morgensonne spürbar auf den Pelz zu brennen begann; ich
schätze mal, dass es bei mir knapp drei Stunden waren. Das hat mir bisher aber immer gereicht, um mit dem
Auto wieder sicher heim zu kommen. Am Rückweg ging es wieder am Brauneck-Gipfelhaus vorbei, und wir
trafen einige unser nächtlichen Mitbeobachter draußen auf der Terrasse beim Frühstück an. Kurzes Farewell,
dann ging es mit der Gondel wieder hinunter ins Isartal. Unten Abschied von Martin, ich denke mal, das wird
nicht unsere letzte Brauneck-Aktion gewesen sein !

Und wer jetzt in punkto Brauneck einen wässrigen Mund bekommen hat, und nach einer Zugabe verlangt -
bitte sehr: Es geht zurück zur gleichen Bank, diesmal mit winterlichen Impressionen - bitte eintauchen in
den eindrucksvollen Bericht von Norman ...

Martin: Morgens an seinem Nachtquartier ...

... und später bereit zum Aufbruch


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